# taz.de -- Kabinett in Tunesien: Neue Regierung aus alten Partnern | |
> Tunesien hat eine neue Regierung. Sie besteht aus den bisherigen | |
> Koalitionspartnern. Die Hoffnung: ein Ende der politischen Krise im Land. | |
Bild: Der neue tunesische Premier Ali Laarayedh (l) präsentiert dem Präsident… | |
MADRID taz | Tunesien hat einen neue Regierung. Der ehemalige Innenminister | |
Ali Laarayedh hat am Freitag Abend förmlich in letzter Minute vor Ablauf | |
der gesetzlich vorgesehen Zwei-Wochen-Frist Staatspräsident Moncef Marzouki | |
sein neues Kabinett vorgestellt. Die neue Regierung besteht aus seiner | |
islamistischen Ennahda-Partei sowie der gemäßigt linken Ettakatol und dem | |
Kongress für die Republik von Präsident Moncef Marzouki. Die Bildung einer | |
neuen Regierung war notwendig geworden, nachdem der bisherige | |
Ministerpräsident Hamadi Jebali am 22. Februar sein Amt niederlegt hatte. | |
Jebali wollte eine [1][Regierung aus unabhängigen Experten] | |
zusammenstellen, um die Lage im Land nach dem tödlichen Anschlag auf | |
Oppositionspolitiker [2][Chokri Belaid zu] beruhigen. Die Ennahda ließ dies | |
aber nicht zu. Jetzt müssen die Islamisten dennoch Zugeständnisse machen. | |
Die wichtigste Neuerung: Die sogenannten Ministerien der Souveränität – | |
Verteidigung, Justiz, Innen- und Aussenpolitik – gehen an parteilose | |
Persönlichkeiten. Insgesamt sind 48 Prozent der 37 Minister, so eine | |
Erklärung von Ennahda auf Twitter, parteiunabhängig. Ennahda hält nur noch | |
28 Prozent des Kabinetts. Bisher waren es 40 Prozent. 22 | |
Regierungsmitglieder gehörten bereits der Exekutive unter Jebali an. Das am | |
Samstag, dem internationalen Frauentag, vorgestellte Kabinett weist nur | |
eine Ministerin auf. Sie kümmert sich um Frauenangelegenheiten. | |
Laarayedh hatte bis zum Schluss vergebens versucht neue Koalitionspartner | |
zu finden, war aber gescheitert. Nach dem Treffen mit dem Präsidenten am | |
Freitag, sagte er: "Es wird die Regierung aller Tunesier sein". Er und | |
seine Minister werden "höchstens bis zum Jahresende im Amt bleiben". Dann | |
sei die neue Verfassung fertig und es werde Neuwahlen sowohl für das | |
Parlament als auch für die Präsidentschaft geben. | |
## Tunesier über die Bewertung von Laarayedh uneins | |
Eigentlich hätte die Verfassung bereits im im vergangenen Herbst | |
vorgestellt werden sollen. Dies scheitert bis heute an der Zerstrittenheit | |
des Übergangsparlaments. Am Dienstag muss eben dieses Parlament die neue | |
Regierung absegnen. Doch dabei dürfte es kaum Überraschungen geben, denn | |
Ennahda hält mit ihren zwei Koalitionspartnern die absolute Mehrheit. | |
Wenn es um die Bewertung von Laarayedh geht, sind sich die Tunesier nicht | |
einig. Den einen gilt er als gemäßigt, den anderen als radikal. Der | |
Lebenslauf des Mannes der 1981 Ennahda mitbegründete, lässt beide Urteile | |
zu. In einem Interview 1990 redete Laarayedh, damals | |
Ennahda-Vorstandsmitglied, gegen die Gleichstellung der Frau, die | |
Familienplanung und gegen den Verkauf von Alkohol auch in | |
Touristengebieten. Ende der 2000er – nach 14 Jahren Haft, zehn davon in | |
Isolation – war Laarayedh der Kontaktmann der illegalen Ennahda zum Rest | |
der Opposition. | |
Mit viel Dialogbereitschaft schmiedete er mit Sozialdemokraten und | |
Kommunisten ein Bündnis gegen Diktator Ben Ali. Laarayedh war in seiner | |
Funktion als Innenminister für mehrere schwere Polizeiaktionen gegen die | |
Demonstrationsfreiheit verantwortlich. Seine Gegner werfen ihm vor, | |
politische Gewalt gegen die Opposition systematisch geduldet zu haben. Für | |
Tunesiens säkulare Parteien und die Zivilgesellschaft ist das Attentat | |
gegen Belaid, das die schwerste politische Krise seit der Revolution vor | |
zwei Jahren auslöste, Folge dieser Politik. | |
10 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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