# taz.de -- Kommentar Tunesien: Ennahda spielt auf Zeit | |
> Tunesiens Regierungspartei verzögert Neuwahlen und arbeitet an einer | |
> stetigen Islamisierung. Das Land hat mit dieser Politik keine Chance. | |
Bild: Hat keine Eile: Rachid Ghannouchi | |
Tunesiens islamistische Regierung spielt mit dem Feuer. Die Politik der | |
Ennahda, die aus den ersten freien Wahlen im vergangenen Oktober als | |
stärkste Partei hervorging, ist eine einzige Verzögerungstaktik. Denn | |
Ennahda hat keine Eile, neue Wahlen einzuberufen. Sie schneidet bei | |
Umfragen wesentlich schlechter ab als noch vor eineinhalb Jahren. Außerdem | |
ist das säkulare Lager mittlerweile zusammengerückt und könnte den | |
Islamisten am Wahltag mit Aussicht auf Erfolg die Stirn bieten. | |
Ennahda setzt deshalb auf Zeit. Erfolgreich konnten die Islamisten die | |
Ausarbeitung der neuen Verfassung hinauszögern. Durch geschickte | |
Formulierungen wird die Tür für eine langsame, aber stetige Islamisierung | |
offen gelassen. | |
An der Basis findet diese über Moscheen und Hilfsvereine bereits statt. | |
Selbst mit den radikalen Salafisten versuchte Ennahda zu arbeiten, wie ein | |
dank der Presse bekannt gewordenes Geheimtreffen zwischen Ennahda-Chef | |
Rachid Ghanouchi und der Führungsriege von Ansar al-Scharia belegt. | |
Die Zeit arbeitet aber auch für die Radikalen. In der politischen und | |
wirtschaftlichen Krise rekrutieren sie Anhänger in den | |
Bevölkerungsschichten, für die sich seit der Revolution wenig bis gar | |
nichts verändert hat. | |
Nur wenn Tunesien die politische Krise so schnell wie möglich überwindet, | |
hat das Land eine Chance, auch wirtschaftlich wieder zu wachsen. Blutige | |
Auseinandersetzungen wie in Kairouan und Tunis, dazu die Unfähigkeit der | |
politischen Klasse, eine Ordnung für die Republik nach Ben Ali | |
auszuarbeiten, bringen weder Touristen noch Investoren zurück ins Land. | |
Gewinnen können nur diejenigen, die eine radikale Islamisierung anstreben, | |
und sei es mit Gewalt. Es ist an der Zeit, dass sich Ennahda | |
unmissverständlich auf die Seite eines modernen Tunesiens stellt. | |
21 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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