| # taz.de -- Stadtjugendpfarrer als Staatsfeind: Der unbequeme König | |
| > Nach den Krawallen bei den Dresdner Anti-Nazi-Demos 2011 schlägt die | |
| > Justiz zurück. Lothar König wird angeklagt, ein Aufwiegler zu sein. | |
| Bild: König: „Als Pfarrer bin ich auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen angewie… | |
| JENA taz | Am zentralen Jenaer Eichplatz klebt ein Fahndungsaufruf. Gesucht | |
| werde von der Polizei Sachsen ein gewisser Lothar König, Stadtjugendpfarrer | |
| von Jena. Er soll am 19. Februar 2011 in Dresden unter anderem „ein Heer | |
| barbarischer und gewaltbesessener AntifaschistInnen befehligt haben“. Auch | |
| sei er extra nach Dresden gekommen, „um das zerstörerische Werk der | |
| alliierten Bomberflotte zu Ende zu bringen und die sächsische Kulturstadt | |
| in Schutt und Asche zu legen“. | |
| Die Jenaer Scherzbolde sind offenbar gut informiert, treffender kann man | |
| die 18 Seiten umfassende Anklageschrift von Staatsanwältin Ute | |
| Schmerler-Kreuzer nicht zusammenfassen. Am kommenden Dienstag, dem 19. | |
| März, wird die Anklage im Amtsgericht Dresden verlesen werden. | |
| König, den angeschuldigten schweren Landfriedensbrecher, Strafvereiteler, | |
| Widerständler gegen Vollstreckungsbeamte und versuchten Nötiger, trifft man | |
| unweit des Eichplatzes im Haus der evangelischen Jungen Gemeinde. In diesen | |
| Wochen ist es unschwer zu erkennen am Spruchband „Solidarität mit Lothar | |
| König“ und einer Infotafel zum Prozess am Portal. Das von den jungen Leuten | |
| ausgebaute Vorder- und Hinterhaus ist Hort jener kriminellen Vereinigung, | |
| die der gefährliche Aufwiegler dort gebildet haben soll. | |
| Dieser Vorwurf lieferte der sächsischen Polizei den Vorwand, im August 2011 | |
| die Räume der Jungen Gemeinde zu durchsuchen, was auch in der Thüringer | |
| Landesregierung zumindest für Naserümpfen sorgte. Im bevorstehenden Prozess | |
| geht es um Königs Rolle bei den Protesten gegen den versuchten | |
| Nazi-Trauermarsch am 19. Februar 2011 in Dresden. | |
| Man erfährt aus der Anklageschrift nicht konkret, mit welchen Worten und | |
| Taten er in der Dresdner Südvorstadt zu gewaltsamen Durchbrüchen von | |
| Polizeisperren aufgefordert haben soll. Fassbar ist lediglich, dass ein | |
| Steinewerfer auf Königs legendären dunkelblauen VW-Transporter | |
| aufgesprungen sein soll und so entkam – und König mit diesem Wagen ein | |
| Polizeiauto zu einem Ausweichmanöver zwang. Dennoch stempeln ihn die | |
| Vorwürfe der sächsischen Justiz zu einem Staatsfeind. | |
| ## Wolfschanzenatmosphäre | |
| Über einen Durchgang mit gefährlichen Gedichten von Ernesto Cardenal, über | |
| einen Hof mit – gewiss verfassungsschutzrelevanten – Plastiken und | |
| skurrilen Fahrradskulpturen gelangt man ins Hinterhauscafé. Dort sitzt | |
| tatsächlich das Monstrum, das Gesicht mit dem gelegentlich aufblitzenden | |
| verschmitzten Lächeln hinter einem gewaltigen Revoluzzerbart und dem | |
| permanenten Rauch der selbst gedrehten Zigaretten getarnt. | |
| Es herrscht irgendwie Wolfsschanzenatmosphäre, denn nicht einmal an diesem | |
| seinem 59. Geburtstag, acht Tage vor Prozessbeginn, kann es der Demo-König | |
| lassen, gegen die Staatsmacht zu konspirieren. Die Geburtstagstorten vor | |
| ihm auf dem rohen Holztisch ignoriert er, auch für den gratulierenden | |
| Afrikaner Kalemba hat er kaum Zeit. Stattdessen diktiert er drei | |
| Mitverschwörern aus der Jungen Gemeinde seine renitenten Anweisungen in die | |
| Notizblöcke. Eine Rüstzeit ist vorzubereiten, der Jenaer Studentenrat will | |
| ein Klavier für eine Freiluftfete bei der Jungen Gemeinde ausborgen. | |
| Aber dann, in den wenigen Minuten, in denen das Mobiltelefon nicht | |
| klingelt, kommen mit fester Stimme heiße Instruktionen. Es geht um die | |
| Unterstützer-Pressekonferenz in Dresden, um die Vorbereitung und Begleitung | |
| des Prozesses. Krawallo-Kommandeur König erkundigt sich sogar nach dem | |
| Schlafbedarf seiner KumpanInnen. „Ich erwarte, dass ihr topfit seid!“ | |
| Der gelegentlich flachsige Ton am Tisch aber täuscht. Als sich Lothar König | |
| für ein paar Minuten ins Büro zurückziehen kann, wird deutlich, wie nahe | |
| ihm das Verfahren mit einem angedrohten Gesamtstrafmaß von 15 Jahren geht. | |
| Wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden, trifft den Milieumissionar | |
| hart, der im Gesicht unübersehbar eine Narbe von den Naziattacken auf die | |
| Junge Gemeinde in den neunziger Jahren trägt und über den die Stasi der DDR | |
| ein umfangreiches Dossier anlegte. „Als Pfarrer bin ich auf Glaubwürdigkeit | |
| und Vertrauen angewiesen!“ | |
| Seine große Sorge gilt der kontinuierlichen Arbeit mit den jungen Jenaern, | |
| die schon jetzt beeinträchtigt sei. Für König der ideale Wirkungskreis, | |
| denn in eine steif-bürgerliche Durchschnittsgemeinde passt dieser letzte | |
| Ost-Achtundsechziger nicht. Auch in diesem Februar dröhnten in Dresden | |
| wieder die Stones mit „Street Fighting Man“ aus seinen Lautsprechern. | |
| ## Unterstützung von Christof Ziemer | |
| Wegen der ungeheuerlichen Anschuldigungen will selbst Pfarrer König | |
| inzwischen diesen Prozess, um deutlich zu machen, „dass es so nicht ist“. | |
| Aufrufe zum Angriff auf Polizisten? „Ich rufe nicht mal auf, Nazis | |
| anzugreifen. Das ist Grundvoraussetzung meiner Arbeit und meines | |
| jüdisch-christlichen Glaubens“, sagt er. Und geht mit der Bekräftigung des | |
| Grundgesetzartikels 5 noch weiter: „Auch unangenehme Meinungen müssen | |
| geschützt werden!“ Allerdings müssten Nazis auch die Grenzen gezeigt | |
| werden. | |
| Ob er sich in Dresden da nicht in gefährliche Nähe von Leuten begeben habe, | |
| die sich vorrangig mit der Polizei anlegen wollten? Ja, da gerate man in | |
| eine Grauzone bei der Frage, wie weit Seelsorgerecht und Seelsorgepflicht | |
| bei der Begleitung der Jenaer Jugendlichen gehe, räumt er ein. Verletzt | |
| habe ihn aber der Vorwurf, er sei willentlich nach Dresden gefahren, um die | |
| öffentliche Ordnung, Menschen und Sachen zu gefährden. | |
| Mit der politischen Einstufung des Prozesses äußert der Angeklagte zugleich | |
| Verständnis für die Richter. Ihnen werde viel abverlangt, „denn jedes | |
| Urteil, das gesprochen werden wird, gibt ein Signal in unsere Gesellschaft | |
| hinein“. | |
| Neben der Unzahl von Internet-Unterstützern geht ihm ein Name unter den | |
| öffentlich auftretenden Persönlichkeiten besonders nahe. Es ist Christof | |
| Ziemer, ehemaliger Dresdner Superintendent, mit dem er 1982 am 13. Februar | |
| den legendären Gang von der Kreuzkirche zur Ruine der Frauenkirche ging. | |
| Ein Markstein in der DDR-Friedensbewegung. 1989 war Ziemer eine Ikone der | |
| friedlichen Revolution, bevor er sich zurückzog. Warum er König zur Seite | |
| steht? „Weil ich mich immer schon für die Unbequemen eingesetzt habe“, | |
| sagte Ziemer. | |
| Ein weniger prominenter Unterstützer am Jenaer Eichplatz weiß indessen | |
| schon, wer das Verfahren gegen König losgetreten hat: „Da steckt doch | |
| bestimmt dieser Verfassungsdienst dahinter“, meint der Türke vom | |
| Yufka-Döner. | |
| 16 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
| Michael Bartsch | |
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