# taz.de -- Erster Prozesstag Lothar König: Der Pfarrer als Krawalltourist | |
> Am ersten Prozesstag gegen den Pfarrer Lothar König bleibt von den | |
> Vorwürfen wenig übrig. Der Geistliche soll Demonstranten zur Gewalt | |
> aufgerufen haben. | |
Bild: Pfarrer König und sein Anwalt nahmen die Anklageschrift auseinander. | |
DRESDEN taz | „Irgendwann haben die Dresdner ihre Justiz mal satt“, | |
protestierten Jenaer Jugendliche vor dem Amtsgericht. Nun genießt die | |
sächsische Justiz vor allem seit den „Sachsensumpf“-Gerüchten und wegen | |
ihres Verfolgungseifers gegen Anti-Nazi-Demonstranten einen speziellen Ruf, | |
auf den auch Verteidiger Johannes Eisenberg wiederholt abhob. „Auch in | |
Dresden ist eine falsche Gesinnung nicht strafbar“, warf er ein. | |
Diese 18-seitige Anklageschrift von Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer | |
wirft dem Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König schweren | |
Landfriedensbruch, versuchte Strafvereitelung und Nötigung und Beihilfe zum | |
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. In der Summe drohte dem | |
Stadtjugendpfarrer aus Jena bei einer Verurteilung damit ein Strafmaß von | |
mehr als zehn Jahren. | |
Bei den Demonstrationen gegen den geplanten größten europäischen | |
Nazi-Aufmarsch am 19. Februar 2011 soll er in der Dresdner Südvorstadt zu | |
Gewalttaten und Durchbrüchen von Polizeiketten aufgewiegelt haben. Die | |
Anklage stellt ihn als eine Art Krawalltourist hin, der vom legendären | |
blauen VW-Lautsprecherbus aus eine gewaltbereite Menge steuerte. | |
Der erste Tag dieses überregional beobachteten Prozesses geriet denn auch | |
speziell für die Dresdner Staatsanwaltschaft zu einem Desaster. Eisenberg | |
mit seiner von Richter Ulrich Stein gerügten publikumswirksamen Rhetorik | |
und Pfarrer König in seiner nachdenklichen Art ließen kein gutes Haar an | |
der Anklageschrift. | |
## Lachen über die Vorwürfe | |
Bei der Verlesung der Anklageschrift brandete am Donnerstag wiederholt bei | |
den 40 Journalisten und rund 70 Zuhörern Gelächter über die Vorwürfe auf. | |
Rechtsanwältin Lea Voigt aus der Berliner Kanzlei von Verteidiger Eisenberg | |
hatte zuvor vergeblich gefordert, die Anklageschrift gar nicht erst zu | |
verlesen. Sie entspreche auch formal nicht den minimalen gesetzlichen | |
Anforderungen und solle in erster Linie Stimmung gegen den Angeklagten | |
machen. | |
Denn die angeblichen Straftaten Königs würden überhaupt nicht konkret | |
bezeichnet. Außerdem habe man sich gar nicht erst die Mühe gemacht, den | |
Pfarrer als Beschuldigten zu vernehmen. Eine Brücke für das | |
Schöffengericht, auf das die Zulassung dieser „noch nie so gesehenen | |
Anklageschrift“ zurückfallen könnte, wenn sie von einer späteren höheren | |
Instanz für nichtig erklärt würde, warnte Johannes Eisenberg. | |
Er nutzte seine Erklärung für grundsätzliche Hinweise auf das | |
Versammlungsrecht nach Artikel acht Grundgesetz. Demonstrationen könnten | |
demnach auch unangemeldet stattfinden, wenn sie nicht verboten wurden. | |
Folglich habe es in Dresden auch keine „Aufenthaltsverbotszone“ gegeben, | |
wie es die Staatsanwaltschaft behaupte. Kein Gesetz zwinge außerdem den | |
Staat, einen Nazi-Demozug „freizuprügeln“. | |
Im Einzelnen blieb nach den Entgegnungen der Verteidigung von den fünf | |
Tatziffern der Anklage fast nichts mehr übrig, weil die zugrunde liegenden | |
Videoaufnahmen entweder bewusst selektiv oder schlampig ausgewertet wurden. | |
Angebliche Gewaltrufe erwiesen sich als deeskalierende | |
Rückzugsaufforderungen, die Aufzählung der „aufpeitschenden“ Musiktitel | |
sorgte für Heiterkeit, die angebliche Attacke auf ein Polizeifahrzeug war | |
ein Ausweichmanöver wegen eines rennenden Passanten. | |
## Er fuhr langsam | |
Beim angeblichen Fluchtversuch eines Steinewerfers in Königs Kleinbus fuhr | |
der so langsam, dass ihn Polizisten in Schutzausrüstung mühelos erreichen | |
konnten. Der Ruf „Deckt die Bullen mit Steinen ein“ sei nie über seinen | |
Lautsprecher gegangen, versicherte Pfarrer König. | |
Er sprach eine halbe Stunde frei, zeigte sich von den Vorwürfen betroffen, | |
schilderte seine Sorge um eine lebendige und wehrhafte Demokratie und um | |
die von ihm betreuten jungen Leute. Bei Demonstrationen andernorts wie etwa | |
in Gorleben oder Heiligendamm habe geradezu ein Vertrauensverhältnis zur | |
Polizei bestanden, erinnerte König. In Dresden offenbar nicht. | |
4 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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