# taz.de -- Die Wahrheit: Krümelige Quarks | |
> Neues aus der schillernden und rätselhaften Welt der Elementarteilchen. | |
> Von Einzelgängern und geselligen Genossen im Reich der Quanten. | |
Bild: Während der neue Papst gefunden wurde, sucht man im Cern noch nach dem G… | |
Durch unsere moderne Physik schwirren unendlich viele kleine Teilchen mit | |
unendlich vielen Namen. Diese Welt der Elementarteilchen ist rätselhaft, | |
aber tröstlicherweise auch irgendwie menschlich. | |
Da gibt es zum Beispiel die verschlossenen Fermionen. Sie sind die | |
geborenen Einzelgänger der Quantenwelt, berichtet Jan Jolie im Spektrum der | |
Wissenschaft: „Hingegen sind Bosonen gesellige Zeitgenossen, die sich | |
bereitwillig im gleichen Zustand versammeln“, kurzum Jolie unterscheidet | |
„eigenbrötlerische Fermionen und konformistische Bosonen“. | |
Doch das muss nicht so bleiben, dazu haben unsere Superquantenphysiker | |
einfach eine Supersymmetrie erfunden, die alles auf den Kopf stellt: „Im | |
Zauberspiegel der Supersymmetrie sehen abweisende Fermionen aus wie | |
umgängliche Bosonen und umgekehrt.“ Schön, so ein charakterlicher | |
Quantensprung der kleinen Gesellen, aber wie funktioniert so ein | |
märchenhafter Zauberspiegel? „Bildlich gesprochen nimmt ein Apfel im | |
Spiegel der Supersymmetrie die Gestalt und den Geschmack einer Birne an“, | |
erklärt Jolie blumig dem verwirrten Leser. | |
Doch nicht genug damit: Um die Superspiegelwelt superverwirrend zu machen, | |
bekommt jedes Superteilchen ein Anti-Superteilchen. Ein Prinzip, das wir | |
nur zu gut aus den Superheldencomics kennen. Da gehört der lustige Joker | |
zum grüblerischen Batman wie die Bosonen zu den Anti-Bosonen. | |
## Krasse Teilchenwelt | |
Mit diesem reichen Personal von Elementarteilchen und | |
Anti-Elementarteilchen lässt sich die Welt der Quantenphysik erzählen wie | |
Thomas Manns Geschichte der Buddenquarks, vom Aufstieg und Zerfall einer | |
Lübecker Quantenfamilie. | |
Literarisch erkennen wir auch einen mephistophelischen Teil in der krassen | |
Teilchenwelt wieder: Der Teil, der stets verneint, wird von den negativen | |
Elektronen übernommen, nämlich den Anti-Quarks und den Anti-Bosonen. Ihnen | |
gegenüber steht die buccolische Teilmenge der geselligen Bosonen, die | |
„geradezu erpicht sind, sich im selben Zustand zu drängeln“ (Jolie). | |
Welcher Zustand, ist dabei keine Frage, es dreht sich um den angeregten | |
Zustand von überdrehten Teilchen. | |
Bodenständiger ist die stabile Welt der Partikel, die sich aus den festen | |
Fermionen zusammensetzt. Steifgerührte Quarks und hartgekochte Elektronen | |
gehören dazu. Die eigenbrötlerischen Fermionen müssen sich zu ihrem | |
Verdruss strikt an das Pauli-Prinzip halten, das heißt, sie dürfen keine | |
identischen Zustände einnehmen. Tun sie es doch, werden sie umgehend zu | |
Anti-Fermionen erklärt und sie bleiben ausgestoßene Konformisten unter den | |
Eigenbrötlern. Man darf sie aber keinesfalls mit den von Haus aus | |
geselligen Bosonen verwechseln: flitzende Photonen, verbindliche Gluonen | |
und das berühmte „göttliche“ Schluckauf- oder Higgs-Teilchen. | |
Um das Universum der Urteilchen weiter unendlich zu bereichern, erfand man | |
in den siebziger Jahren die postulierten Superteilchen, also Teilchen, die | |
es noch nicht gab, aber die es geben müsste: den pfeilschnellen Photino, | |
den superklebrigen Glutino, den trinkfesten Wino, den gummiartigen Zino, | |
den superschweren Gravitino und den hüpfenden Higgsino. Jedes dieser | |
Superteilchen bekam seinen superfiesen Gegenspieler. Diese erkennt man am | |
vorangestellten „s“: Selektron, Smyon, Sneutrino und Squark. Letzterer ist | |
allerdings nicht zu verwechseln mit dem Snark, den der geniale Lewis | |
Carroll hellseherisch vorweggenommen hatte. | |
## Lauter falsche Stecknadeln | |
Keines dieser Teilchen wurde bisher entdeckt, nur das Higgs-Teilchen wollen | |
die Forscher am europäischen Kernforschungszentrum Cern einen Moment lang | |
hinter einem Heuhaufen verschwinden gesehen haben. In der vorigen Woche | |
erklärten sie nämlich, dass „die Auswertung weiterer | |
Untersuchungsergebnisse aus dem vergangenen Jahr die Vermutung | |
unterstreiche, dass das Higgs-Boson gefunden worden sei“, wie die | |
Nachrichtenagentur Reuters eiernd meldete. | |
Bislang vergleichen die Physiker die Higgs-Teilchen-Suche gern mit der | |
Suche der Stecknadel im Heuhaufen, nur dass der Heuhaufen in diesem Fall | |
aus lauter falschen Stecknadeln besteht, aus dem man die richtige | |
heraussuchen muss. | |
So ein leichtes Higgs-Teilchen zerfällt rasch nach seiner Erzeugung in | |
leichte Bottom-Quarks-Krümel. Da helfen dem ratlosen Forscher auch keine | |
Charm-Quarks, das Universum ist und bleibt ein Dunkelraum mit 80 Prozent | |
dunkler Materie. Woraus die besteht, weiß noch nicht einmal der | |
Anti-Quantenforscher. Vorsichtshalber haben deshalb die Physiker | |
„Strange-Quarks“ erfunden. | |
Seltsame Quarks für seltsame Materie in einer seltsamen Welt der Forschung. | |
Nur so viel weiß man: Vor dem Urknall ist nach dem Urknall. Und wir wissen, | |
dass das Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist. In 300 Millionen Jahren | |
wird es dann endlich vierzehn. | |
18 Mar 2013 | |
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