# taz.de -- Spanien kürzt Gesundheitsbudget: In den Kliniken fehlt der Impfsto… | |
> Die spanische Regierung hat das Gesundheitsbudget um 10 Prozent gekürzt. | |
> Betroffen sind vor allem Rentner, die wenig Geld und viele Gebrechen | |
> haben. | |
Bild: Gibt's in Spanien seltener: Impfungen. | |
MADRID taz | Es geht ans Eingemachte: Seit zwei Monaten erhalten die | |
Kliniken und Gesundheitsposten in Madrid keine Impfstoffe gegen Tetanus, | |
Hepatitis A und B mehr. Als die meistgehörte spanische Radiostation Cadena | |
Ser dies vor zwei Tagen öffentlich machte, versuchte sich die | |
Gesundheitsbehörde der Region Madrid mit „Verwaltungsproblemen“ | |
herauszureden. | |
Die Ärzte in den Kliniken wollen daran nicht so recht glauben. Sie | |
befürchten, dass eine weitere Sparmaßnahme im Gesundheitssystem still und | |
heimlich durchgeführt werden soll: 10 Prozent hat die konservative | |
Regierung von Mariano Rajoy an den Ausgaben für den Gesundheitsbereich | |
gestrichen. Spaniens Gesundheitsausgaben rutschen damit im Europavergleich | |
noch tiefer ins untere Drittel. | |
Einen Großteil der Sparmaßnahmen müssen die 8,5 Millionen Rentner tragen. | |
Sie zahlen seit dem Sommer erstmals für Medikamente zu. Der Eigenanteil | |
beträgt bis zu 10 Prozent bei einer Obergrenze von 18 Euro pro Medikament. | |
„Das straft diejenigen, die wenig Geld und zudem die meisten | |
Gesundheitsprobleme haben“, analysiert die spanische Vereinigung zum Schutz | |
des Öffentlichen Gesundheitssystems (FADSP). 8,5 Prozent der spanischen | |
Rentner leben von 300 Euro im Monat und 54 Prozent von weniger als 650 | |
Euro. „Sie müssen sich entscheiden, ob sie Medikamente bezahlen oder | |
Lebensmittel kaufen“, beschwert sich ein Sprecher der FADSP. | |
Auch Einwanderer ohne Papiere sind von den Kürzungen besonders hart | |
betroffen. Sie hatten seit dem Jahr 2000 das Recht auf kostenlose | |
Gesundheitsversorgung. Das wurde den rund 500.000 Migranten jetzt genommen. | |
Nur bei Schwangerschaft, in Notfällen oder für chronisch Kranke werden | |
Ausnahmen gemacht. Wer unter diese Ausnahmeregelung fällt, darüber | |
entscheiden die regionalen Gesundheitsbehörden. | |
## Millionen Kinder unter der Armutsgrenze | |
Ärztevereinigungen befürchten – mit Blick auf Griechenland, wo die | |
Malariakrankheit wiederaufgetreten ist –, dass auch in Spanien ansteckende | |
Krankheiten wieder zunehmen werden. Armut und eine schlechte | |
Gesundheitsversorgung einer ganzen Bevölkerungsgruppe bilden deb idealen | |
Nährboden für die Ausbreitung von Krankheiten wie der Tuberkulose, die in | |
Spanien nie ganz besiegt worden ist. | |
Die Krise hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit breiter Teile der | |
Bevölkerung. 6 Millionen Spanier (26 Prozent) sind arbeitslos. 1,8 | |
Millionen Haushalte völlig ohne Arbeit. 2,2 Millionen Kinder leben | |
unterhalb der Armutsgrenze. Die Folge ist oftmals schlechte Ernährung, und | |
die wiederum führt zu immer mehr Fällen von schwerem Übergewicht. | |
Außerdem ist der Konsum von Antidepressiva um mehr als 30 Prozent | |
gestiegen, der von Beruhigungs- und Schlafmitteln um 12 Prozent. Die | |
Erklärung dafür ist einfach: Stress und die Angst, den Arbeitsplatz zu | |
verlieren, nehmen zu. Viele Arbeitslose werden mit ihrer Situation nicht | |
fertig. | |
## Medikamente stellen ruhig | |
Ganz besonders von psychischen Problemen betroffen sind die Opfer der | |
400.000 Zwangsräumungen. Der Schock nach einem Verlust der Wohnung sei mit | |
dem nach einem schweren Verkehrsunfall vergleichbar, heißt es in einer | |
Studie der Wirtschaftshochschule Esade. Psychologische Behandlung sei daher | |
dringend angeraten. | |
Doch genau daran mangelte es in Spanien auch schon vor der Krise: 4,3 | |
Psychologen müssen 100.000 Einwohner versorgen. Im europäischen | |
Durchschnitt sind es 18. Die Hausärzte verschreiben deshalb einfach | |
Medikamente, die ihre Patienten ruhigstellen. | |
Die Regierung Rajoy hat zwei weitere Maßnahmen in Vorbereitung. Zum einen | |
soll der Impfkalender für Kinder abgespeckt werden, zum anderen werden | |
künftig Regionen, die das Defizitziel nicht einhalten, mit dem Entzug der | |
Subventionen für Ausbildung von Fachpersonal für Organtransplantationen | |
bestraft. Spanien ist bisher in Sachen Organspende weltweit führend. | |
28 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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