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# taz.de -- Afrobeat von Sinkane: Anführer auf dem Sklavenschiff
> Von Funk, R&B und Afrobeat über Jazz bis hin zu Glam Rock: Der New Yorker
> Sinkane ist mit seinem zweiten Album „Mars“ auf Deutschlandtour.
Bild: Sinkane schafft mit seiner Musik magische Sphären.
Als der Musiker und Produzent Brian Eno Ende der siebziger Jahre die Band
Talking Heads produzierte, pries er ihnen den Afrobeat des nigerianischen
Musikers Fela Kuti mit den Worten an, dies sei der Klang der Zukunft.
Tatsächlich fanden später diverse Innovationen wie die diskrete
Polyrhythmik des Fela-Kuti-Schlagzeugers Tony Allen – laut Eno der beste
Schlagzeuger der Welt – auf den Alben der Band in der einen oder anderen
Form Eingang.
Der große Durchbruch des Afrobeat im Pop, den Eno prophezeit hatte, ließ
aber erst einmal auf sich warten. Heute hat sich die Lage etwas zugunsten
des Afrobeats und seiner Fortentwicklungen gewandelt. Selbst wenn man noch
lange nicht von einer dominierenden Rolle dieser Musik sprechen kann, wird
Fela Kuti doch mittlerweile international als einer der wichtigsten
afrikanischen Musiker überhaupt wahrgenommen.
Und aktuelle Spielarten des Afrobeat gelangen allmählich immer mehr in den
Mainstream. Die Alben, die der aus dem Sudan stammende New Yorker Ahmed
Abdullahi Gallab etwa unter dem Namen Sinkane veröffentlicht, sind ein
schönes Beispiel dafür. „Mars“ hat Sinkane sein zweites Werk betitelt, es
scheint allerdings weniger dem griechischen Kriegsgott zu huldigen, als in
afrofuturistischer Manier auf ein Außerhalb der Erde zu verweisen, einen
utopischen Ort.
## Kosmische Klänge
Der Mars von Sinkane soll dabei nicht auf das völlig Fremde verweisen,
sondern dient vielmehr als Heimat all derer, die, wie Gallab, mit ihren
unterschiedlichen Einflüssen eigentlich keinen angestammten Platz mehr
haben, sondern sich diesen Raum erst erschaffen müssen – dort, wo sie
gerade sind.
Unterschiedliche Einflüsse finden sich auch in Sinkanes Songs, die von
Funk, R & B und Afrobeat über Jazz bis zu Glam Rock reichen. „Mars“ ist wie
eine Reise durch die verschiedenen Regionen dieses heterotopischen Kosmos,
für den Sinkane selbst den Namen „Sudan Soul“ gewählt hat.
Dessen Puls treibt – wie in der mit Reggae-Anleihen versetzten Single
„Jeeper Creeper“ – oft in unterschwellig verschachtelten Strukturen voran,
der Vocoder bekommt als Verfremdungseffekt ebenfalls seinen Auftritt, und
im finalen, freundlich-verschleppten Song „Caparundi“ glaubt man während
der ersten Hälfte, einen jungen Bryan Ferry über ein sehr entspanntes
Roxy-Music-Fundament singen zu hören.
## Rhythmische Komplexität
Für Gallabs Vielseitigkeit spricht erst recht seine musikalische Biografie.
Als Live-Musiker begleitete er die Indie-Rocker Of Montreal, trommelte auf
den Tourneen des Elektronik-Projekts Caribou und diente sich als
Multiinstrumentalist der Popband Yeasayer an.
Und bei aller rhythmischen Komplexität – sein Schlagzeuger Jaytram ist laut
Gallab der beste seines Fachs überhaupt – haben die Songs von Sinkane keine
Angst vor großen Gesten. Die Tonsprache von „Mars“ lässt sich zudem in
verschiedene Richtungen ausformulieren: Eine Reihe von DJs, darunter die
Residents des Berliner Clubs Berghain, Barker & ND Baumecker, haben seine
Songs auf ihre Clubqualitäten hin abgetastet und neu zusammengesetzt. Vor
allem im Konzert entfaltet sich die volle Energie seiner stilistischen
Querverweise.
Sein afrikanisch anmutender Bandname verdankt sich übrigens einem
schlichten Missverständnis. So vermeinte Gallab, dieses Wort im Song „Never
Let Me Down“ des Rappers Kanye West gehört zu haben. Statt von Sinkane war
da jedoch von Joseph Cinqué, dem Anführer der Rebellion auf dem
Sklavenschiff „Amistad“, die Rede. In Gallabs Fantasie wurde Sinkane darauf
zu einer afrikanischen Gottheit, und bevor er seinen Irrtum entdeckte,
hatte er schon sein Soloprojekt nach ihr benannt. Wer weiß, wenn eines
Tages mal eine Sinkane-Religion entstehen sollte, dann hätte ihr Mars
zumindest gute Chancen, ein sehr friedlicher Ort zu werden.
##
Sinkane: „Mars“ (City Slang/Universal); live: 9. April Frankfurt/M., Zoom;
10. April Hamburg, Kampnagel; 11. April Berlin, Festsaal Kreuzberg; 12.
April Köln, King Georg
9 Apr 2013
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Musik
New York
Sudan
Arte
Konzert
Leipzig
Chemnitz
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