# taz.de -- Europäische Menschenrechtskonvention: Die EU will sich kontrollier… | |
> Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll auch über EU-Recht | |
> entscheiden können. Der Entwurf eines Abkommens liegt vor. | |
Bild: Könnte vom Abkommen profitieren: Flüchtling in Lampedusa, Italien. | |
KARLSRUHE taz | Die EU wird der Europäischen Menschenrechtskonvention | |
beitreten. Der Entwurf eines entsprechenden Abkommens liegt seit | |
vergangener Woche auf dem Tisch. Dean Spielmann, der Präsident des | |
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), stellte die Pläne am | |
Dienstag abend bei einer Veranstaltung in Karlsruhe vor. | |
Der Gerichtshof für Menschenrechte ist eine Einrichtung des Europarats, dem | |
47 Mitglieder angehören. Der Europarat ist also deutlich größer als die EU, | |
weil auch Staaten wie Russland, die Türkei, Norwegen und die Schweiz | |
Mitglied sind. Der in Straßburg angesiedelte Gerichtshof wacht über die | |
Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention. In den letzten Jahren | |
hat er auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beanstandet, | |
zum Beispiel bei der Sicherungsverwahrung oder bei Väterrechten. | |
„Bisher bestand im europäischen Grundrechtsschutz eine Lücke“, konstatier… | |
der aus Luxemburg stammende EGMR-Präsident Spielmann. Denn die EU und ihre | |
wachsende Rechtsordnung unterliegen bisher nicht der Kontrolle des | |
Gerichtshofs für Menschenrechte. Das soll nun aber anders werden. | |
Schon im EU-Lissabon-Vertrag ist der Beitritt der EU zum Straßburger | |
Menschenrechts-Kontrollsystem vorgesehen. Nach dreiährigen Verhandlungen | |
sind jetzt auch die Details geklärt, die nicht ganz einfach waren. Denn | |
erstmals tritt mit der EU eine internationale Organisation bei. | |
## Es könnte noch lange dauern | |
Nach dem Beitritt können sich die Europäer auch an den Straßburger | |
Gerichtshof wenden, wenn sie sich durch EU-Recht in ihren Menschenrechten | |
verletzt sehen. Die EU wird wie eine Art großer Nationalstaat behandelt, | |
die EU-Grundrechte-Charta wie eine nationale Verfassung und der Europäische | |
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wie ein nationales Verfassungsgericht. Die | |
EU darf, wie die Nationalstaaten auch, einen Richter für Straßburg | |
benennen. | |
Ein denkbares Szenario könnte so aussehen, dass zunächst der EuGH über die | |
EU-Vorratsdatenspeicherung entscheidet. Wenn er keinen Verstoß gegen die | |
EU-Grundrechte-Charta erkennt, dann könnte noch der Straßburger Gerichtshof | |
für Menschenrechte angerufen werden. | |
Allerdings wurde der EGMR in den letzten Jahren zunehmend großzügiger in | |
seiner Kontrolle – auch um seine Akzeptanz bei den Staaten Europas nicht zu | |
gefährden. Er lässt es nun oft ausreichen, dass seine Vorgaben prinzipiell | |
akzeptiert werden – auch wenn sie vor Ort eigenständig ausgelegt werden. | |
Bis der EU-Beitritt zur Menschenrechtskonvention vollständig realisiert | |
ist, wird es wohl „noch einige Jahre“ dauern, so Spielmann. Der | |
Vertragsentwurf wird nun vom EuGH geprüft. Wenn dieser keine Änderungen | |
verlangt, muss der EU-Ministerrat den Beitritt einstimmig beschließen. Dann | |
müssen auch noch alle 47 Staaten des Europarats den Beitritt ratifizieren. | |
Ein Staat wie Großbritannien, für den derzeit alle europäischen | |
Institutionen ein rotes Tuch sind, könnte da noch einiges chaotisieren. | |
10 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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