# taz.de -- Justiz in Hamburg: Der Haken ist das Wie | |
> Hamburg streitet über die Sicherungsverwahrung: SPD-Regierung und CDU | |
> sprechen von Resozialisierung, Linke, Grüne und FDP sehen nur Schein. | |
Bild: Sehen so „allgemeine Lebensbedinungen“ aus? Darüber wird gestritten. | |
HAMBURG taz | Das Thema Sicherungsverwahrung ist ein schwieriges. Und das | |
erst recht in Hamburg, wo entlassene Sicherungsverwahrte wiederholt von | |
Medien aufgespürt wurden, was zuletzt im Stadtteil Jenfeld zu heftigen | |
Anwohnerprotesten führte. Jetzt dreht sich die Debatte um die Bedingungen, | |
unter denen die Sicherungsverwahrung stattfinden soll. | |
Hamburg ist damit eines der letzten Bundesländer, das der Vorgabe des | |
Bundesverfassungsgerichts folgt, bis Ende Mai eine Neuregelung vorzulegen. | |
Sie soll gewährleisten, dass die Sicherungsverwahrung nicht den Charakter | |
einer Strafhaft hat. Sie sei vielmehr, formulierten die Karlsruher Richter | |
„den allgemeinen Lebensbedingungen“ anzupassen. | |
Bei Teilen der Opposition stößt der Gesetzentwurf, den der Hamburger Senat | |
auf den Weg gebracht hat, auf wenig Gegenliebe. Während die allein | |
regierende SPD in der CDU eine überraschende Bündnispartnerin findet, | |
bezweifeln Grüne, Linke und FDP, dass der Gesetzentwurf gewährleistet, was | |
das Verfassungsgericht gefordert hatte. Weder sei er freiheitsorientiert | |
noch therapiebezogen. Vielmehr vermittle der Vorstoß „den Eindruck von | |
Schein-Resozialisierungsmaßnahmen, die im Vollzugsalltag unterlaufen werden | |
können“. | |
Der justizpolitische Sprecher der Hamburger Grünen, Farid Müller, machte | |
bei der Vorstellung der gemeinsamen Änderungsvorschläge klar, es gehe nicht | |
um „Nettigkeiten“ gegenüber den Sicherungsverwahrten – über „Luxus im | |
Knast“ hatte zuvor die Bild berichtet –, sondern um „demokratisches | |
Rechtsverständnis“. Die Änderungen, welche die drei Oppositionsfraktionen | |
fordern, erscheinen auf den ersten Blick kleinteilig: Da geht es etwa um | |
die Größe der Wohngruppen oder um die Verpflegung. Sie sollen aber in ihrer | |
Gesamtheit dem Karlsruher Anspruch Genüge tun. | |
## Verklagt die Bürgerschaft sich selbst? | |
Dass es sich bei dem Gesetzentwurf der SPD um „Scheinresozialisierung“ | |
handele, begründete Müller damit, dass alle Vergünstigungen für die | |
Sicherungsverwahrten unter Vorbehalt stünden. Eine solche Vorgabe sei im | |
niedersächsischen Landtag gerade gestrichen worden. Den vierzehntägigen | |
Arrest wiederum, der in Hamburg als schwerste Disziplinarmaßnahme verhängt | |
werden kann, sei in Schleswig-Holstein gerade aus dem Gesetzentwurf | |
herausgenommen worden. | |
Die Hamburger SPD leide nach wie vor an einem „Sicherheitstrauma“, befand | |
die justizpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider. Zumindest | |
sind die Sozialdemokraten derzeit der örtlichen CDU näher als den anderen | |
Oppositionsparteien: Anfang Mai einigten sich die beiden Parteien auf einen | |
gemeinsamen Änderungsantrag. Dieser sieht vor, dass Sicherungsverwahrte zur | |
Arbeit angehalten werden können, kein erhöhtes Taschengeld für die | |
Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen erhalten und Lockerungen im Fall | |
drohender Straftaten auch wieder entzogen werden können. | |
Darüber freute sich die CDU, während die SPD fünf zusätzliche Stunden | |
Besuchszeit und die Bedeutung von Konfliktgesprächen unterstrich. Daher | |
kann der justizpolitische Sprecher der SPD, Ulf Tabbert, den | |
Änderungsvorschlägen von Grünen, Linken und FDP nun „nicht entnehmen, wo | |
dem Resozialisierungsgedanken“ im eigenen, dem SPD-Entwurf „nicht Rechnung | |
getragen wird“. | |
Unstrittig ist dagegen, dass die Sicherungsverwahrung künftig teurer sein | |
wird: Hamburgs Justizbehörde veranschlagt rund 29 Stellen und somit rund | |
1,6 Millionen Euro zusätzlich. Die sollen durch „Umschichtungen“ im | |
Justizvollzug erbracht, sprich: an anderer Stelle eingespart werden. | |
Die Grünen prüfen nun die Möglichkeit einer Klage. Blockieren wollen sie | |
das neue Gesetz hingegen nicht – einer zweiten Lesung im Parlament wollen | |
sie sich ebenso wenig verweigern wie die Linke und die FDP. Wie | |
aussichtsreich eine Klage ist, muss sich zeigen: Damit verklagte die | |
Bürgerschaft sich selbst. | |
14 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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