| # taz.de -- Handyüberwachung in Dresden: Wer demonstriert, wird ausgespäht | |
| > Bei der Antinazidemo am 13. Februar hat Sachsens Polizei erneut | |
| > Handydaten abgefragt. Weder zum Zeitraum noch zur Datenmenge gibt die | |
| > Staatsanwaltschaft Auskunft. | |
| Bild: Durch die FZA sollten schwere Straftaten aufgeklärt werden. Aber ist ein… | |
| DRESDEN taz | Bei der Antinazidemo am 13. Februar hat Sachsens Polizei | |
| erneut Handydaten abgefragt. Mittels einer sogenannten | |
| nichtindividualisierten [1][Funkzellenabfrage] (FZA), bei der Daten von | |
| allen Handybesitzern gesammelt werden, die sich zu einer bestimmten Zeit in | |
| der Gegend aufhalten, sollte ein gewalttätiger Angriff auf zwei Polizisten | |
| aufgeklärt werden. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der | |
| Grünen im Sächsischen Landtag hervor. Weder zum Zeitraum noch zur Menge der | |
| erhoben Daten gibt die Dresdner Staatsanwaltschaft derzeit Auskunft. | |
| „Natürlich müssen schwere Straftaten aufgeklärt werden, es ist aber | |
| fraglich, ob die FZA ein geeignetes Mittel ist“, sagt Johannes Lichdi, | |
| rechtspolitischer Sprecher der sächsischen Grünen. Denn während der | |
| Aufklärungserfolg der FZA unsicher sei, „ist der massive Eingriff in die | |
| Grundrechte vieler sicher“. | |
| Für bundesweite Empörung hatten die sächsischen Behörden bereits vor zwei | |
| Jahren gesorgt. Im Februar 2011 demonstrierten zehntausende Menschen gegen | |
| eine Naziaufmarsch. Weil die Polizei Straftaten wie Landfriedensbruch und | |
| die Bildung einer kriminellen Vereinigung aufklären wollte, hatte sie | |
| während der Demo über eine Million Handydaten von 330.000 Menschen erhoben. | |
| [2][Das hatte die taz im Sommer 2011] aufgedeckt. In der Folge [3][musste | |
| der Dresdner Polizeipräsident gehen], der Bundestag befasste sich mit dem | |
| Fall, und Gesetzesänderungen wurden angedacht. Passiert ist bisher jedoch | |
| nichts. | |
| Durch die FZA sollten schwere Straftaten aufgeklärt werden. Zwei Jahre | |
| später lässt sich festhalten, dass die massenhafte Abfrage von Handydaten | |
| nichts gebracht hat. Es gab bisher kein Verfahren wegen Bildung einer | |
| kriminellen Vereinigung und nur drei wegen schweren Landfriedensbruchs. „In | |
| der Beweisführung spielten die Handydaten überhaupt keine Rolle“, sagt | |
| Anwältin Kristin Pietrzyk, die mehrere Beschuldigte vertritt. | |
| ## Rechtlich alles ok | |
| Wegen dieser Unverhältnismäßigkeit setzen sich etliche Betroffene zur Wehr | |
| – auch Halina Wawzyniak, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die 2011 an | |
| der Demo teilnahm. Sie wollte vom Amtsgericht Dresden die Rechtswidrigkeit | |
| der Maßnahme feststellen lassen. Anfang der Woche wurde ihr der Beschluss | |
| zugestellt. Darin schreibt das Gericht, dass es keine „rechtlichen | |
| Bedenken“ gebe. | |
| Anders sieht das Wawzyniak: „Der Beschluss zeigt, dass die FZA nicht | |
| notwendig war, um Straftaten aufzuklären.“ So schreiben die Behörden, dass | |
| Beschuldigte bereits im Vorfeld observiert und ihre Telefone überwacht | |
| wurden. Eine FZA, bei der Anwohner, Demonstranten, Journalisten und | |
| Politiker ins Visier geraten, sei daher unnötig gewesen. „Es scheint, als | |
| ginge es den Behörden darum, ein ganzes Netzwerk auszuspähen.“ | |
| Ein Detail aus dem Beschluss lässt aufhorchen. Das Gericht erklärt, dass | |
| die Demonstranten hätten wissen müssen, dass ihre Handydaten überwacht | |
| werden können. Denn sie wussten, dass „die Begehung von Straftaten zu | |
| erwarten“ war und die Behörden daher auch „die Strafverfolgung aufnehmen | |
| würden“. | |
| „So kann man das Versammlungsrecht auch aushebeln“, sagt Wawzyniak. Am | |
| Donnerstag hat sie beschlossen, Beschwerde gegen den Beschluss des | |
| Amtsgerichts Dresden einzulegen. | |
| 11 Apr 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Paul Wrusch | |
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