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# taz.de -- Handydaten-Skandal in Dresden: Sogar die Opposition hat vergessen
> Der Dresdner Handydatenskandal empörte 2011 die Politik. Aber die Gesetze
> wurden nicht verschärft: Genug Zeit für die Behörden, die Daten
> auszuwerten.
Bild: Alle ausgewertet? Die Zeit war ja da
BERLIN taz | Die Aufregung war groß. Grüne, Linkspartei und SPD forderten
schärfere Gesetze. Selbst die FDP entdeckte für einen kurzen Moment ihren
bürgerrechtspolitischen Kern wieder. Es bestand breiter Konsens darüber,
dass die massenhafte Abfrage und Speicherung von Handydaten durch
Funkzellenabfragen gesetzlich geregelt werden muss. Heute, eineinhalb Jahre
später, hat sich die Empörung gelegt, geschehen ist nichts.
Rückblende: Im Februar 2011 demonstrierten in Dresden Zehntausende gegen
einen Aufmarsch von Neonazis. Polizei und Landeskriminalamt erhoben in der
Dresdner Innenstadt mittels Funkzellenabfragen über eine Million Handydaten
von 330.000 Demonstranten, Anwohnern, Politikern und Journalisten. Dies
sollte der Aufklärung von Straftaten wie Landfriedensbruch oder Bildung
einer kriminellen Vereinigung dienen.
Rechtswidrig wurden die Daten aber auch in anderen Verfahren verwendet.
Nachdem die taz die Handydatenaffäre im Juni 2011 aufgedeckt hatte,
entwickelte sich eine kontroverse Debatte über die Funkzellenabfrage. Der
Dresdner Polizeipräsident musste zurücktreten, in Sachsen gerieten Innen-
und Justizminister unter Druck.
Im Sommer 2011 überraschte Sachsen mit einer Bundesratsinitiative, um die
Strafprozessordnung zur Funkzellenabfrage zu verschärfen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
unterstützte den Antrag damals, heute gibt sie sich wortkarg. Das Thema
werde weiter geprüft, mehr ist von ihr nicht zu erfahren. Auch die
SPD-Justizminister der Länder äußerten sich wohlwollend zur sächsischen
Initiative. Ende Januar 2012 wurde die Initiative vom Bundesrat bis zur
Wiedervorlage vertagt.
Die Länder lehnen den sächsischen Vorschlag heute weitgehend ab. Weder im
unionsgeführten Bayern oder Sachsen-Anhalt noch in den von SPD und Grünen
regierten Ländern wie NRW oder Baden-Württemberg sieht man derzeit
überhaupt noch Änderungsbedarf, teilen die Justizministerien der taz mit.
Sachsen selbst räumt ein, dass nur noch „geringe Chancen bestehen, die
sächsische Initiative erneut in den Bundesrat einzubringen“, und verweist
stattdessen auf Anträge von Grünen und Linkspartei im Bundestag.
## In Vergessenheit geraten
Deren Anträge wurden im Herbst 2011 im Bundestag debattiert und in die
Ausschüsse verwiesen. Seit einer Sachverständigenanhörung vor einem Jahr
ruhen sie. Es scheint, als habe erst die Anfrage der taz bei Grünen und
Linkspartei das Thema wieder ins Gedächtnis gerufen. Man habe auf den
richtigen Zeitpunkt gewartet, heißt es bei den Grünen. Das Thema sei ein
wenig in Vergessenheit geraten, gibt ein Mitarbeiter der Linkspartei zu.
Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sieht
dennoch Handlungsbedarf. „Wir werden unseren Gesetzentwurf in Kürze zur
Abstimmung stellen“, kündigt er an. Auch die Linkspartei will nun prüfen,
ob sie ihren Antrag erneut einbringt. Der Abgeordneter Jan Korte macht sich
jedoch keine großen Hoffnungen auf Erfolg.
„Dass sich auf Gesetzesebene noch immer nichts getan hat, ist sehr
bedauerlich“, sagt Johannes Lichdi, grüner Landtagsabgeordneter in Sachsen.
„Die Auswertungen der damals erhobenen Daten geht munter weiter.“ Die
Ermittlungsbehörden haben mittlerweile rund 60.000 sogenannte Bestandsdaten
erhoben, also den damals abgefischten Handynummern und -verbindungen Namen,
Adressen und Geburtstage zugeordnet.
30 Jan 2013
## AUTOREN
Paul Wrusch
Paul Wrusch
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