# taz.de -- Prekäre Lebensverhältnisse: Mehr und mehr Aufstocker | |
> Die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger insgesamt sinkt. Doch es | |
> steigt der prozentuale Anteil derjenigen, die trotz eines Jobs „Hartz IV“ | |
> beziehen. | |
Bild: Im Oktober 2012 gab es 1,33 Millionen Personen, die einer Arbeit nachging… | |
Fast jeder dritte Empfänger des Arbeitslosengelds II [1][(„Hartz IV“]) ist | |
mittlerweile ein [2][sogenannter Aufstocke]r – weil der Lohn nicht reicht, | |
um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das teilte am Montag das Institut | |
Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen mit, das | |
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewertet hatte. | |
Demnach gab es im Oktober 2012 1,33 Millionen Personen, die einer Arbeit | |
nachgingen und gleichzeitig Hartz IV erhielten. Das Besondere dabei: Obwohl | |
die Zahl der Hartz-IV-Empfänger insgesamt sinkt, steigt der prozentuale | |
Anteil der Aufstocker. Während es 2007 insgesamt rund 5,28 Millionen | |
erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher gab und 23,1 Prozent davon aufstockten, gab | |
es 2012 bei rund 4,4 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Beziehern bereits | |
30,4 Prozent Aufstocker. | |
Unter den Aufstockern gibt es viele Teilzeitkräfte, die so wenige Stunden | |
arbeiten, dass der Lohn nicht zum Leben oder für die Familie ausreicht. | |
Allerdings waren 2011 im Schnitt fast 280.000 Aufstocker | |
vollzeitbeschäftigt. Ab 2012 kann die BA dazu keine Zahlen mehr vorlegen, | |
da sie ihre Statistik umgestellt hat. | |
[3][Gerhard Bäcker, emeritierter Professor am IAQ], kritisiert die | |
Situation der Vollzeitkräfte: „Aus Steuermitteln subventionieren wir das | |
Niedriglohnmodell einiger Arbeitgeber. Faktisch hat sich in diesem Bereich | |
ein Kombilohnmodell etabliert.“ | |
## Kritik von der Opposition | |
Laut Arbeitsministerium hat der Staat zwischen 2007 und 2011 mehr als 53 | |
Milliarden Euro für das Aufstocken von Löhnen ausgegeben. Bäcker empfiehlt | |
deswegen als ersten Schritt einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto in der | |
Stunde. Auch dann müssten einige Hartz-IV-Bezieher noch aufstocken. Denn | |
ein Alleinverdiener, der verheiratet oder verpartnert ist und ein Kind hat, | |
müsste bei einer 38,5-Stunden-Woche mindestens 10,42 Euro brutto in der | |
Stunde verdienen, damit die Familie keinen Anspruch auf Hartz IV hätte. Das | |
haben Berechnungen der Arbeitnehmerkammer Bremen von 2009 ergeben. | |
Während die Bundesregierung in der Zahl der Aufstocker bisher kein Problem | |
sieht, übte die Opposition Kritik. „Es ist nicht hinnehmbar, dass manche | |
Arbeitgeber schon bei Einstellungsgesprächen auf die Möglichkeit des | |
Aufstockens verweisen“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion, [4][Sabine Zimmermann], zur taz. Die Partei fordert einen | |
Mindestlohn von 10 Euro. | |
„Das Problem wird seit Jahren größer und die Bundesregierung tut nichts“, | |
so auch [5][Anette Kramme], arbeitsmarktpolitische Sprecherin der | |
SPD-Fraktion. Die Partei will, dass Teilzeitkräfte leichter ihre | |
Arbeitszeit ausweiten können. Einen Gesetzentwurf dafür bringt sie am | |
Donnerstag ins Parlament ein. | |
15 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] /!112801/ | |
[2] /1/archiv/digitaz/artikel/ | |
[3] http://www.uni-due.de/soziologie/baecker.php | |
[4] http://www.sabine-zimmermann.info/ | |
[5] http://www.anette-kramme.de/ | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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