# taz.de -- Überraschendes EuGH-Gutachten: VW-Gesetz entspricht EU-Recht | |
> Die Klage der EU-Kommission gegen das VW-Gesetz wird vom EuGH wohl | |
> abgelehnt. Und nicht der „einseitigen Ideologie des freien Kapitalmarktes | |
> geopfert“. | |
Bild: Dieser Volkswagen-Arbeitnehmer ist für das VW-Gesetz. | |
LUXEMBURG dpa | Deutschland muss das VW-Gesetz mit seinem Vetorecht für das | |
Land Niedersachsen voraussichtlich nicht ändern. Die Bundesregierung habe | |
ein früheres EU-Urteil bereits vollständig umgesetzt, teilte ein | |
einflussreicher Gutachter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Mittwoch | |
mit. Er sprach sich überraschend dafür aus, die Klage der EU-Kommission | |
abzuweisen. Damit würde Deutschland um die von der EU-Behörde beantrage | |
Geldbuße von mindestens 63 Millionen Euro herumkommen. | |
Volkswagens Betriebsratsboss Bernd Osterloh hat die jüngste Entscheidung im | |
juristischen Tauziehen um das VW-Gesetz als einen wichtigen Erfolg für die | |
Arbeitnehmer begrüßt. „Das ist ein guter Tag für die Belegschaften bei | |
Volkswagen“, sagte Osterloh am Mittwoch in Wolfsburg. Die Empfehlung des | |
Gutachters, die Klage der Behörde abzuweisen, gilt nun als zentrale | |
Weichenstellung. „Damit ist der Weg frei für eine Entscheidung, die ein | |
einmaliges Gesetz nicht der einseitigen Ideologie des freien Kapitalmarktes | |
opfert“, sagte Osterloh. | |
Das eigentliche Urteil folgt erst in einigen Monaten. Das Gutachten gilt | |
als aber Vorentscheidung, weil der Gerichtshof diesem in der Regel folgt, | |
auch wenn es nicht bindend ist. Zu der Frage, ob die Sperrminorität | |
Niedersachsens für sich genommen gegen EU-Recht verstößt, äußert sich der | |
Gutachter nicht. Dies sei nicht Sache des vorliegenden Gerichtsverfahrens. | |
Seit Jahren schwelt die Auseinandersetzung zwischen Berlin und Brüssel. Die | |
EU-Behörde ist der Auffassung, dass das VW-Gesetz mit dem Vetorecht für das | |
Land Niedersachsen gegen EU-Recht verstößt. Brüssel verlangt, die | |
Sonderregelung abzuschaffen, die dem Bundesland als Anteilseigner ein | |
Einspruchsrecht bei wichtigen Entscheidungen sichert. | |
Bereits 2007 hatte der EuGH nach einer ersten Klage der EU-Kommission | |
entschieden, das VW-Gesetz laufe EU-Recht zuwider und müsse geändert | |
werden. Es verletzte aus drei Gründen die Freiheit des Kapitalverkehrs in | |
der EU: Bund und Land konnten je zwei Vertreter im Aufsichtsrat von VW | |
stellen, die Stimmrechte der Aktionäre waren auf 20 Prozent begrenzt und | |
die Sperrminorität betrug 20 statt der sonst im Aktienrecht üblichen 25 | |
Prozent. | |
## Festhalten an der Sperrminorität | |
Die Bundesregierung hatte daraufhin die ersten beiden Regeln abgeschafft, | |
hielt aber an der Sperrminorität fest, so dass die EU-Kommission 2012 | |
erneut klagte. Der Gutachter stärkt Deutschland nun den Rücken und | |
schreibt: „Deutschland ist dem ursprünglichen Urteil des Gerichtshofs von | |
2007 vollständig nachgekommen.“ Das Gericht habe nur die Kombination von | |
Höchststimmrecht und Sperrminorität gerügt, nicht aber das Vetorecht an | |
sich. Er teile daher die von der Bundesregierung vertretene Auslegung des | |
Urteils von 2007. | |
Der EU-Kommission ist die Sperrminorität ein Dorn im Auge. Ihrer Meinung | |
nach schreckt sie potenzielle Investoren ab, behindert Innovationen und | |
kann zu steigenden Preisen führen, deshalb verstoße sie gegen EU-Recht. | |
Politiker und Gewerkschaften fürchten dagegen um den Schutz des Autobauers | |
vor feindlichen Investoren und um die Mitbestimmung. | |
Die Richter können in ihrem endgültigen Urteil die Klage nun abweisen – sie | |
könnten aber auch weitere Änderungen verlangen oder ein anderes Bußgeld | |
verhängen. Ein solches Strafgeld müsste nicht der VW-Konzern, sondern die | |
Bundesrepublik zahlen. Sollte der EuGH Deutschland dennoch verurteilen und | |
eine Strafe anfallen, empfiehlt der Gutachter niedrigere Tagessätze als von | |
der EU-Kommission verlangt. Die von der EU-Behörde berechnete Strafe belief | |
sich bis Mittwoch auf rund 63 Millionen Euro – rund 31.000 Euro pro Tag | |
seit dem Urteil 2007. Der Gutachter schlägt vor, einen Pauschalbetrag von | |
nur 8.870 Euro pro Tag anzusetzen. | |
29 May 2013 | |
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