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# taz.de -- Streit um Suhrkamp-Verlag: Verlag unterm Schutzschirm
> Die Verlegerin des Suhrkamp Verlags Ulla Berkéwicz, die bisher fast alle
> Prozesse verlor hat, hat jetzt das Heft des Handelns wieder in der Hand.
Bild: Kämpft verbissen darum, das Sagen im Verlag wieder zu bekommen: Ulla Uns…
Eigentlich hatte das Treffen schon in der Woche zuvor stattfinden sollen,
wurde dann aber kurzfristig auf Donnerstagabend verschoben – Ulla
Berkéwicz, die Verlegerin des Suhrkamp Verlags, hatte einige Dutzend ihrer
Autoren in ihre Villa gebeten, um über den Stand der Dinge zu informieren.
Dass sie das Treffen zuvor verschoben hatte, ließ auf Entspannung hoffen –
ihr Streit mit Hans Barlach, dem Besitzer der Medienholding AG Winterthur,
die Minderheitsgesellschafterin am Verlag ist, hatte sich offenbar ein
wenig abgekühlt. Und am vergangenen Wochenende meldete der Spiegel sogar,
ein „weißer Ritter“ sei in Sicht.
Das hieße, Ulla Berkéwicz, die auch der Siegfried und Ulla Unseld
Familienstiftung vorsteht, die wiederum Mehrheitsgesellschafterin des
Verlags ist, und Barlach würden einen Teil ihrer Verlagsanteile einem
dritten Investor überschreiben.
Diesen „weißen Ritter“ hatte insbesondere Barlach immer wieder
herbeigeredet. Durch die Medien ging das Gerücht, dieser Retter in der Not
sei der kunstsinnige Medienmogul Hubert Burda, der anderen Spekulationen
zufolge sogar der heimliche Finanzier Barlachs sei.
## Ein Schutzschirm vom Amtsgericht
Doch offenkundig war die Meldung falsch, Tanja Postpischil, die
Suhrkamp-Pressesprecherin weiß nichts von einem Investor. Sie musste Anfang
der Woche allerdings anderes verbreiten: Der Verlag hatte soeben einen
Antrag auf Einleitung eines sogenannten Schutzschirmverfahrens gestellt,
das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hatte dieses daraufhin eröffnet.
Suhrkamp hat also angesichts einer drohenden Insolvenz eine Art
Vorinsolvenz eingeleitet, die Geschäftsführung hat den Insolvenzrechtler
Frank Kebekus zum Generalbevollmächtigten ernannt, der wiederum mit dem vom
Gericht bestellten Sachwalter Rolf Rattunde drei Monate lang die
Sanierungsfähigkeit des Verlags prüfen wird.
Hans Barlach, dessen Ansprüche an Suhrkamp somit für ein Vierteljahr
eingefroren sind, reagierte überrascht und empört. Denn da es nun um das
Überleben des Unternehmens geht und den Erhalt der Arbeitsplatze – das sind
die vorrangigen Ziele der Insolvenzverwalter –, treten die Konflikte, die
die Gesellschafter seit Jahren vor Gericht und in den Medien ausfechten, in
den Hintergrund.
## Keine Abschiedsfeier
Was also erzählte die Verlegerin am Donnerstagabend ihren Autorinnen und
Autoren? Weitestgehend das, was oben aufgeführt ist. Und die Stimmung war,
so berichten Teilnehmer, angesichts des Ernstes der Lage doch gelöst, es
war eher ein Autorentreffen als eine Abschiedsfeier. Und auch die
Verlegerin habe sich zuversichtlich gezeigt, dass der Verlag in drei
Monaten aus dem Schlamassel herausgeführt sei.
Wie kann aber angesichts der drohenden Insolvenz die
Mehrheitsgesellschafterin so gelassen sein? Nun, wie gesagt, Barlach und
Berkéwicz verklagten sich in den vergangenen Jahren mehrfach gegenseitig,
so ist etwa Berkéwicz von einem Gericht als Geschäftsführerin abberufen
worden, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Zudem hat Barlach erstinstanzlich erstritten, dass ihm aus dem Bilanzgewinn
2010 die Summe von 2,2 Millionen Euro auszuzahlen sei, das Geld hat er
allerdings nicht abgerufen. Berkéwicz argumentiert nun, dass die
Familienstiftung, die 61 Prozent des Verlags besitzt, ebenso am
Bilanzgewinn 2010 partizipieren müsse und somit 8,2 Millionen als
Ausschüttung zu bilanzieren seien.
## Schutzschirm gegen die Pleite
Auch wenn niemand das Geld sogleich abruft – auf dem Papier ist der Verlag
damit heillos überschuldet. Um die Pleite abzuwenden, begibt dieser sich
nun also unter den Schutzschirm.
Dem Fachmagazin Börsenblatt erläuterte der Generalbevollmächtigte Frank
Kebekus die Sanierungsmöglichkeiten: „Die Insolvenzordnung ermöglicht es,
alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen zu ergreifen. Das kann
beispielsweise eine Kapitalherabsetzung sein, der Wechsel der Rechtsform
oder der Eintritt eines weiteren Gesellschafters.“
Über diese Maßnahmen entscheiden allerdings nicht mehr allein die
Gesellschafter, sondern eine Gläubigerversammlung. Und auf dieser hat
Barlach nur eine Stimme, just so wie Berkéwicz als Vorsitzende der
Familienstiftung. Berkéwicz ist aber zugleich auch die
Nochgeschäftsführerin des Verlags, kann also die Sanierung aktiv
mitgestalten. Barlach sind dagegen vorerst die Hände gebunden, auch seine
Chancen, das Schutzschirmverfahren gerichtlich anzufechten, sind gering.
## Zukunft ist ungewiss
Berkéwicz, deren Seite nahezu alle Gerichtsprozesse der letzten Zeit
verloren hat, hat also das Heft des Handelns wieder in die Hände bekommen.
Aber wie sieht die Zukunft aus? Dadurch, dass der Verlag öffentlich seine
wirtschaftlichen Probleme bekannt hat, sind die Verlagsanteile beider
Gesellschafter drastisch in ihrem Wert gesunken.
Das Insolvenzrecht interessiert sich nicht für die Liquidität der
Gesellschafter eines Unternehmens, sondern für das Unternehmen selbst,
dessen Überleben ordnet es alles andere unter. Barlach und Berkéwicz’
Familienstiftung könnten also einen Teil ihrer Anteile verlieren, könnten
sie verkaufen, bevor der Verlag in eine tatsächliche Insolvenz eintritt,
beide könnten leer ausgehen.
Als die Geschäftsführer des Aufbau Verlags vor fünf Jahren Insolvenz
anmeldeten, fühlte sich der damalige Besitzer, Bernd Lunkewitz, geradezu
enteignet. Ähnlich könnte es Barlach und der Familienstiftung ergehen.
Reißt also Berkéwicz ihren Feind schlimmstenfalls mit in den Abgrund, zum
Wohle des Verlags? Dieses Opfer ist ihr, die mehr an Kultur als an Bilanzen
interessiert ist, durchaus zuzutrauen.
2 Jun 2013
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
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