| # taz.de -- Medienrechtler zum Suhrkamp-Streit: „Die Details sind nicht bekan… | |
| > Worüber wird bei Suhrkamp rechtlich gestritten? Der Gesellschafts- und | |
| > Medienrechtler Rolf Aschermann über die juristische Seite der Vorwürfe | |
| > und Klagen. | |
| Bild: Das Verfahren kann sich noch lange hinziehen. Genug Zeit, noch ein paar S… | |
| Im Drama um den Suhrkamp Verlag geht es meist um dessen Bedeutung für die | |
| deutsche Kultur und seine ökonomischen Probleme. Gestritten wird aber vor | |
| Gericht. Christian Rath sprach mit dem Berliner Anwalt Rolf Aschermann über | |
| den Fall. Aschermann kennt als ehemaliger Holtzbrinck-Syndikus sowohl das | |
| Verlagsgeschäft als auch das Gesellschaftsrecht. | |
| taz: Herr Aschermann, Können Sie uns bitte ganz juristisch-nüchtern | |
| erklären, worum es in den unterschiedlichen Prozessen in Frankfurt und | |
| Berlin geht? | |
| Rolf Aschermann: Gerne. Am Landgericht Frankfurt geht es vor allem um den | |
| Streit zwischen den beiden Gesellschaftern: auf der einen Seite die | |
| Siegfried-und-Ulla-Unseld-Familienstiftung, die 61 Prozent am Suhrkamp | |
| Verlag hält, auf der anderen Seite Hans Barlachs Medienholding Winterthur | |
| AG mit 39 Prozent. Zunächst hat die Familienstiftung beantragt, die | |
| Medienholding auszuschließen. Dann hat im Gegenzug die Medienholding | |
| verlangt, die Familienstiftung auszuschließen. Parallel hat die | |
| Medienholding hilfsweise beantragt, den Suhrkamp Verlag ganz aufzulösen. | |
| Diese drei Verfahren sind bis September vertagt worden. | |
| Was ist die Voraussetzung für den Ausschluss eines Gesellschafters? | |
| Es muss in der Person eines Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegen, | |
| der die weitere Zusammenarbeit mit ihm unzumutbar macht, zum Beispiel grobe | |
| Kompetenzverletzungen, gesellschaftswidriges Verhalten oder das schuldhafte | |
| Herbeiführen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses. | |
| Und unter welcher Voraussetzung könnte der Suhrkamp Verlag sogar aufgelöst | |
| werden? | |
| Hier ist ein wichtiger Grund in den Verhältnissen der Gesellschaft selbst | |
| erforderlich, etwa ein tiefgreifendes Zerwürfnis ohne klaren Schuldigen. | |
| Wenn allerdings der Ausschluss eines störenden Gesellschafters möglich ist, | |
| dann kommt eine Auflösung des Verlags nicht in Betracht. Deshalb wundere | |
| ich mich, warum so viel über die gerichtliche Auflösung des Suhrkamp | |
| Verlages spekuliert wird. Ich halte das für nicht sehr wahrscheinlich. | |
| Über welche Vorwürfe wird am Landgericht Frankfurt konkret verhandelt? | |
| Es soll um treuwidriges Abstimmungsverhalten, Missmanagement und | |
| gesellschaftsschädigende Äußerungen gehen. Die juristisch entscheidenden | |
| Details sind bisher öffentlich nicht bekannt. | |
| Bekommt ein Gesellschafter, der ausgeschlossen wird, eine Abfindung? | |
| In aller Regel, ja. Denn der Ausschluss ist ja keine Strafe. Er soll nur | |
| die Gesellschaft wieder funktionsfähig machen. Allerdings könnte eine | |
| millionenschwere Abfindung den Suhrkamp Verlag schwer belasten. Sie könnte | |
| den Einstieg eines neuen Gesellschafters erfordern, der entsprechende | |
| Mittel mitbringt. | |
| Wird es im September auf jeden Fall ein Urteil geben? | |
| Nein, das Verfahren kann sich noch lange hinziehen. Sollte ein | |
| Gesellschafter ausgeschlossen werden, so müsste die Höhe der Abfindung | |
| bestimmt werden. Dazu dürfte erst mal ein Sachverständigengutachten über | |
| den Wert seines Anteils eingeholt werden. Und selbst wenn ein Urteil dann | |
| vorliegt, können anschließend noch Rechtsmittel eingelegt werden. | |
| Falls der Verlag doch aufgelöst wird, was passiert dann? | |
| Dann müssen die Gesellschafter einen Liquidator bestellen, der den Verlag | |
| als Ganzes oder in Teilen verkauft. So eine Abwicklung kann einige Jahre | |
| dauern. Käufer könnte durchaus auch einer der bisherigen Gesellschafter | |
| sein. | |
| Was hieße die Auflösung des Verlags für die Autoren? | |
| Für neue Bücher müssten sie sich einen neuen Verlag suchen. Die Rechte an | |
| den alten Werken können aber einzeln nur mit ihrer Zustimmung veräußert | |
| werden. | |
| Stimmt das Bild von Hans Barlach als böser literaturfremder Heuschrecke? | |
| Jeder Gesellschafter hat ein berechtigtes und schützenswertes Interesse | |
| daran, dass die Geschäftsführung sich nicht über seine vertraglichen Rechte | |
| hinwegsetzt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Art, in der die | |
| Auseinandersetzung von ihm geführt wird, nicht geeignet ist, Schaden vom | |
| Verlag abzuwenden und seinen – ökonomischen wie kulturellen – Wert zu | |
| erhalten. | |
| Haben Sie eine derartige juristische Schlacht mit Ausschließungs- und | |
| Auflösungsanträgen schon einmal erlebt? | |
| In Familiengesellschaften werden Auseinandersetzungen häufig äußerst heftig | |
| und oft auch aus nichtökonomischen Gründen geführt. Für das Verlagswesen | |
| ist allerdings eine öffentlich so erbittert geführte Auseinandersetzung | |
| beispiellos. | |
| Warum finden manche der Suhrkamp-Prozesse in Berlin und andere in Frankfurt | |
| statt? | |
| Das ist eine Konsequenz des Verlagsumzugs von Frankfurt nach Berlin. | |
| Außerdem handelt es sich jeweils um unterschiedliche Beklagte. | |
| Worum ging es am Landgericht Berlin? | |
| Dort ging es um das Verhalten der drei Suhrkamp-Geschäftsführer Ulla | |
| Unseld-Berkéwicz, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe. Diese sind laut | |
| Urteil vom Dezember dafür verantwortlich, dass Suhrkamp einen Mietvertrag | |
| mit jährlichen Kosten von 78.200 Euro geschlossen hat, ohne die bei | |
| Verträgen über 75.000 Euro pro Jahr erforderliche Zustimmung des | |
| Minderheits-Gesellschafters Hans Barlach einzuholen. | |
| Da wurde die Schwelle ja nur knapp überschritten … | |
| Ganz so knapp auch wieder nicht, denn das Gericht hat Kosten für Möblierung | |
| von 34.000 Euro hinzugerechnet. Außerdem wurde laut Gericht auch ein | |
| zweiter Zustimmungsvorbehalt für Investitionen missachtet. Das Landgericht | |
| sah in diesen Pflichtverletzungen einen wichtigen Grund, die | |
| Geschäftsführer abzuberufen, da diese Barlach bewusst nicht gefragt hätten. | |
| Barlach hätte nämlich keine Zustimmung zu einem derart teuren Mietvertrag | |
| gegeben, weil die Gesellschafter vereinbart hatten, die Kosten des Suhrkamp | |
| Verlags beim Umzug nach Berlin wesentlich und nachhaltig zu reduzieren. | |
| Barlach wirft Unseld-Berkéwicz vor, sie habe private und geschäftliche | |
| Interessen vermischt … | |
| Das spielte für das Landgericht Berlin keine Rolle, obwohl laut Urteil Ulla | |
| Unseld-Berkéwicz und ihr Bruder die Villa an Suhrkamp vermietet haben und | |
| das Gebäude im Übrigen privat genutzt wird. Entscheidend für das Gericht | |
| waren die Höhe der Miete und die unterbliebene Genehmigung Barlachs. | |
| Hat das Gericht nun selbst die Geschäftsführer abberufen? | |
| Nein. Es hat festgestellt, dass eine Gesellschafterversammlung im November | |
| 2011 die Abberufung der drei Geschäftsführer mit den Stimmen Barlachs | |
| beschlossen hat. Zwar wurde damals Barlachs Antrag mit den Stimmen der | |
| Familienstiftung als Mehrheitsgesellschafterin abgelehnt. Die | |
| Familienstiftung hätte aber wegen eines Stimmverbotes – vergleichbar der | |
| Befangenheit – gar nicht mitstimmen dürfen, da Unseld-Berkéwicz als deren | |
| Vorstandsvorsitzende dort einen bestimmenden Einfluss ausübe. Damit habe | |
| Barlachs – berechtigter – Antrag auf Abberufung doch eine Mehrheit | |
| bekommen, so die Richter. | |
| In einem zweiten Prozess verurteilte das Landgericht Berlin die drei | |
| Geschäftsführer zur Zahlung von mehr als 282.000 Euro Schadenersatz. Wie | |
| kam diese Summe zustande? | |
| Sie setzt sich aus der Miete für die Repräsentationsräume bis Dezember 2011 | |
| und rund 170.000 Euro für Einrichtungsgegenstände zusammen. Die Mietkosten | |
| ab Januar 2012 – 6.600 Euro monatlich – können noch hinzukommen. Das Geld | |
| muss von den Geschäftsführern an den Suhrkamp Verlag bezahlt werden – nicht | |
| an den Kläger Barlach. | |
| Haben die Geschäftsführer ihre Posten schon verlassen? | |
| Nein. Es wurde Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. | |
| Glauben Sie, dass die Berliner Urteile Bestand haben? | |
| Angesichts der recht klaren Pflichtverletzung halte ich das für ziemlich | |
| wahrscheinlich. | |
| 2 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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