# taz.de -- Kolumne Knoblauchzone #1: Ein Caravaggio für Zagreb | |
> Kroatien wird bald EU. Doch die Nachrichtenlage zeichnet ein anderes | |
> Bild: Von Homo-Feindlichkeit und verbotenem Sexualkundeunterricht in | |
> Schulen. | |
Bild: Krasse Kontraste in Kroatien. | |
Außer einer mickrigen Tribüne ist auf dem Ban Jelacic, dem zentralen Platz | |
in der Zagreber Innenstadt, nichts davon zu sehen, dass hier in der Nacht | |
auf den 1. Juli die größte staatlich organisierte Party in der Geschichte | |
des Landes stattfinden soll. Noch vergangene Woche wurden dort | |
Unterschriften „gegen die Schwuchteln“ gesammelt: „Im Namen der Familie“ | |
unterzeichneten 500.000 der 4,5 Millionen Kroaten einen Antrag auf | |
Volksabstimmung gegen die Homo-Ehe. | |
Auch ansonsten sah die Nachrichtenlage wenig nach EU aus: Das kroatische | |
Verfassungsgericht erklärte den Sexualkundeunterricht in der Schule für | |
verboten. Die Medien taten so, als ob Kroatien die Champions League | |
gewonnen hätte. In Split und Rijeka wurden riesige Statuen aufgestellt, die | |
den Staatsgründer Franjo Tudjman zeigen, dem in Den Haag posthum | |
bescheinigt worden war, ein Kriegsverbrecher zu sein. Ein Olivenbauer | |
erntete eine Tonne Oliven. Ein Lokalpolitiker bestach seinen Nachbarn. | |
Zwischendurch allerdings wurde auf dem Ban Jelacic auch friedlich für die | |
Homo-Ehe demonstriert, begleitet von militanten Polizisten und | |
Passantenrufen wie „Eure Seelen werden in der Hölle brennen!“ Die | |
Demonstration war Topthema in den TV-Nachrichten. Es ist ja nicht so, dass | |
die Mehrheit hier sofort jede Minderheit aus dem Land vertreiben will. | |
Nein, die meisten würden ihnen – sofern sie Serben sind – mittlerweile | |
sogar wieder ein Zimmer vermieten. | |
Meine Nachbarin in Zagreb hat mich bei unserer ersten Begegnung gleich | |
darüber informiert, dass der Mann aus dem zweiten Stock Serbe sei, aber | |
nicht schwul. Auf die Frage, ob es denn ein Problem wäre, wenn er letzteres | |
sei, lachte sie: „Wo denkst du hin. Wir sind doch bald EU. Da ist so was | |
verboten!“ | |
Ausgerechnet ein Caravaggio, mutmaßlich schwul, kam Mitte der Woche im | |
Zagreber Museum für Kunst und Handwerk an: „Das Abendmahl in Emmaus“, eine | |
Leihgabe der Italiener als Glückwunsch zum EU-Beitritt. | |
Warum die Italiener ausgerechnet den Chiaroscuro-Caravaggio und dessen | |
Sicht auf die Offenbarung des auferstandenen Jesus ausgewählt haben, hat | |
bislang niemand untersucht. Aber als ich das Foto des Gemäldes in der | |
Zeitung sah, hatte ich eine Offenbarung: Kroatien ist ein | |
Caravaggio-Gemälde mit krassen Hell-Dunkel-Kontrasten. | |
31 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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