# taz.de -- Kolumne Knoblauchzone #5: Ein Stern als Grabstein | |
> Auf der Grabplatte des kroatischen Staatsgründers fehlt ein Strich. Das | |
> ist lustig, aber auch tragisch. Mit Herrn Tudjman wäre heute sowieso | |
> alles besser. | |
Bild: Kroatien wird am 1. Juli EU-Mitglied. | |
Noch zwei Wochen bis zum EU-Beitritt und Kroatien fehlt ein E. Genauer: | |
Seit ein paar Tagen ist der untere Strich vom „E“ auf der Grabplatte des | |
Staatsgründers verschwunden. Er ist jetzt Präsident der Republik „HRVATSKF�… | |
und nicht mehr „HRVATSKE“ (Kroatien). Warum macht niemand den Strich wieder | |
dran? Fallen die Kroaten von ihrem Glauben an den Nationalheiligen Franko | |
Tudjman ab? | |
Das Grab auf dem Zagreber Mirogoj-Friedhof ist ein einfallsloser schwarzer | |
Marmorblock, aus dem eine riesige Marmorplatte schräg heraussteht. Ich | |
stehe davor und muss lachen, wegen dem Ex-E und weil das ganze Arrangement | |
so lächerlich plump ist. Ein breitschultriger Mann in Arbeitermontur und | |
gefälschter Porsche-Sonnenbrille stellt sich neben mich und faltet seine | |
Pranken demonstrativ zum Gebet. Sofort entschuldige ich mich fürs Lachen. | |
Der Mann erwidert überraschend: „Schon okay. Ist ja auch lächerlich.“ Der | |
Mann erklärt: „Kroatien verfällt. Unser Land wird verkauft. An die EU. Wir | |
haben alle bald keine Arbeit mehr. Das hätte Tudjman niemals zugelassen.“ | |
Eine anderer schwarzer Marmorstein wurde diese Woche in der Nähe des | |
zentralen Platzes Ban Jelacic in Zagreb installiert. Er steht auf einem | |
gelben Stern und hat die Inschrift „1.7.2013“. | |
Gut, nicht jeder Bildhauer kann ein Mestrovic sein, das ist Kroatiens | |
berühmtester. Seine grimmigen, dunklen Figuren rufen manchmal eher ein | |
Lachen hervor als Demut. Auch der neue Grabstein ist unfreiwillig komisch. | |
Es sollte ein nett gemeintes Denkmal für den großen Tag des EU-Beitritts | |
sein. Jetzt steht das Denkmal symbolisch für den „Verfall“ des Landes und | |
dessen „Ausverkauf“ an die EU. | |
Die Streiks der Krankenschwestern, Stewardessen, Werftarbeiter, staatlichen | |
Versicherungsangestellten etc. dürften der Regierung demnächst tatsächlich | |
mehr Probleme bereiten als sämtliche Referenden gegen Homo-Ehe, | |
Sexualkundeunterricht oder kyrillische Schrift. Indessen haben die Slowenen | |
schon mal parlamentarisch beschlossen, dass die Kroaten auch nach dem 1. | |
Juli nicht bei ihnen arbeiten dürfen („Sorry, Krise!“), während die Ungarn | |
angekündigt haben, keine Arbeitsbeschränkungen für Kroaten zu erlassen | |
(„Bei uns gibt’s sowieso keine Jobs!“). Herr Tudjman hätte das sicher ni… | |
zugelassen. | |
16 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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