| # taz.de -- Kolumne Knoblauchzone #4: Hass, der für zwei, drei Kriege reicht | |
| > Warum die kroatischen Fans ihren brasilianischen Spieler Sammir dissen | |
| > und hilflose Scherze in einer Bar in Zagreb eine Wohltat sein können. | |
| Bild: Kroatien ist dank des letzen Krieges eine ethnisch reine Gesellschaft. Un… | |
| ZAGREB taz | Die Schotten sind schockiert. Obwohl sie das | |
| WM-Qualifikationsspiel gegen die Kroaten überaschend gewannen, schreiben | |
| schottische Fans und Journalisten fassungslos über das, was sie vergangene | |
| Woche im Zagreber Fußballstadion Maksimir erlebten: Zischlaute, | |
| Affengeräusche, Buhrufe von sämtlichen der kroatischen Tribünen und Kurven. | |
| Die aber richteten sich nicht gegen die überraschend in Führung liegenden | |
| Gäste von der Insel, sondern gegen einen eigenen, einen kroatischen | |
| Spieler. Die Kroaten lagen im Heimspiel als haushoher Favorit 0:1 zurück. | |
| Verantwortlich dafür machten die Zuschauer einen Spieler: Sammir. Er hatte | |
| eine Torchance vergeben. Aber das hatte der Bayern-Spieler Mandukic später | |
| ebenso. Doch der wurde nicht ausgebuht, sondern bekam Szenenapplaus. Doch | |
| jedes Mal, wenn Sammir den Ball überhaupt nur an die Fußspitze bekam, | |
| jaulte der kroatische Furor auf. | |
| Schon ein paar Wochen zuvor, bei Dinamos letztem Ligaspiel der Saison | |
| hatten sich ähnliche Szenen, wenn auch nicht ganz so lautstark, abgespielt. | |
| Sammir wurde kurz vor Schluss ausgewechselt, ging in die Kabine und kam | |
| auch zur Meisterfeier nicht mehr raus. | |
| Dass er den Verein verlassen will, ist nicht der Grund, warum die | |
| kroatischen Fans ihn nicht mögen. Sammir stammt aus Brasilien, spielt seit | |
| 2006 beim kroatischen Rekordmeister Dinamo Zagreb, ist seit 2011 | |
| kroatischer Staatsbürger, grade erst als bester Spieler der kroatischen | |
| Liga 2013 vom hiesigen Fußballverband ausgezeichnet und schwarz. | |
| Das, was sich im Stadion abspielte, spiegelte sich auch in den kroatischen | |
| Medien. Der TV-Moderator fragte den Trainer nach dem Spiel, ob das Publikum | |
| recht habe damit, das Sammir der schlechteste Spieler gewesen und damit | |
| schuld an der Niederlage sei. Und er war nicht der Einzige. Auch die | |
| „seriösen“ Medien versteckten sich hinter dem Publikum, um dem Brasilianer | |
| die Schuld an der Blamage zu geben. Selbstverständlich wurde auch der | |
| Trainer, Igor Stimac, verantwortlich gemacht. Der hatte den Spieler ja | |
| nunmal ins offensive Mittelfeld gestellt. Stimac, der sich zunächst gegen | |
| alle Medienattacken gewehrt hatte und nichts kommentieren wollte, was nicht | |
| mit den fußballerischen Qualitäten Sammirs zu tun hat, gab sich dann beim | |
| Freundschaftsspiel gegen Portugal ein paar Tage später geschlagen und ließ | |
| Sammir auf der Bank sitzen. | |
| ## Leere Nordkurve | |
| Dabei ist Sammir nicht der erste Brasilianer, den die Kroaten einbürgerten, | |
| damit ein bisschen Zauber in den Fußball kommt. So wie ihm erging es vor | |
| ein paar Jahren auch Eduardo, der allerdings schon 1998 in der | |
| Jugendmannschaft von Dinamo spielte und sich von dort in den Profikader | |
| spielte, bis er zum FC Arsenal wechselte. 2006 wurde Eduardo nicht nur zum | |
| besten Spieler der kroatischen Liga, sondern auch zum kroatischen Fußballer | |
| des Jahres gewählt. Und trotzdem: Der damalige Nationaltrainer Zlatko | |
| Krajncar nominierte ihn nicht für die WM in Deutschland. | |
| Der kroatische Schriftsteller Miljenko Jergovic beschreibt in seinem Roman | |
| „Freelander“ einen fiktiven bosnischen Dorfclub, der 11 billig zu habende | |
| Albaner kaufte, ihnen braslianische Namen gab und mit diesem Trick | |
| versuchte, wieder Zuschauer ins Stadion zu kriegen, weil mit den ehtnisch | |
| reinen Einheimischen einfach kein attraktiver Fußball mehr zu stande kam. | |
| Ganz so fiktiv ist das nicht, denn auch der Chef von Dinamo Zagreb, Zdravko | |
| Mamic versucht mit den Brasilianern seinen Verein lukrativer zu machen. | |
| Allein, die Fans haben darauf keine Lust. Der Fanclub „Bad Blue Boys“ | |
| boykottierte die komplette Saison den Stadionbesuch, die Nordkurve blieb | |
| leer. Sicher, der Einkauf Sammirs ist nur einer der Gründe, aber er ist | |
| eben auch einer. | |
| Das Spiel gegen Schottland schaute ich übrigens in einer Kneipe in der | |
| Zagreber Innenstadt. An der Bar saß ein Schwarzer. Als der Wirt | |
| zwischendrin Zigaretten kaufen gehen musste, klopfte er dem Gast vorher auf | |
| die Schulter und mahnte die jungen Kroaten an der Bar: „Fasst mir den Mann | |
| nicht an. Er ist mein Halbbruder. Wenn ihm was passiert, kriegt ihr es mit | |
| unserer Mutter aus Südafrika zu tun.“ Auch wenn dies nur ein weitere | |
| chauvinistische Facette war, so ein hilfloser Scherz in dieser Umgebung ist | |
| schon fast eine Wohltat. | |
| Kroatien ist dank des letzen Krieges eine ethnisch reine Gesellschaft. Und | |
| das wird sie wohl auch weiterhin bleiben, denn der rassistische Mob im | |
| Stadion demonstriert wie es um Weltoffenheit der Kroaten bestellt ist: „So | |
| viel Hass, dass es noch gut für zwei oder drei Kriege reicht“, wie die | |
| populäre Ex-Punkband Hladno Pivo in ihrem neuen Hit [1][„Na ovim | |
| prostorima“] (frei übersetzt: „In dieser Gegend“) singt „– der übri… | |
| seit Wochen in den kroatischen Top 10 ist. | |
| 13 Jun 2013 | |
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| [1] http://www.youtube.com/watch?v=qtPrgJMJWKM | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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