| # taz.de -- Soziologe über Blockupy-Protest: „Ohne Druck wird sich nichts ä… | |
| > Die gesellschaftlichen Missstände sind unübersehbar geworden, sagt der | |
| > Soziologe Michael Hartmann. Doch bislang fehle der Protestbewegung noch | |
| > die breite Basis. | |
| Bild: Blockupy-Protest in Frankfurt. | |
| taz: Herr Hartmann, Blockupy richtet sich gegen eine Politik der Eliten. | |
| Kann das erfolgreich sein? | |
| Michael Hartmann: Es hat einen konkreten Erfolg gegeben, und das war der | |
| Slogan „Wir sind die 99 Prozent“. Normalerweise redet man immer von den | |
| oberen 10 oder 20 Prozent. Die Zahl 99 zeigt nun, dass es wirklich nur das | |
| eine obere Prozent ist, das die großen Einkommens- und Vermögenszuwächse | |
| verzeichnen kann. Es ist ein großer Erfolg, wenn diese Tatsache in den | |
| Köpfen verankert wird. | |
| Und die realen Auswirkungen? | |
| Da kann man nur spekulieren. Es ist klar: In puncto Bankenregulierung tut | |
| sich etwas. Das liegt zumindest im deutschen Raum aber eher daran, dass der | |
| Rest der Wirtschaft sich zunehmend über die Finanzwelt ärgert. Die | |
| Wirtschaft fürchtet erstens, dass der Ruf nach Regulierung so laut wird, | |
| dass es sie auch erwischt; und zweitens, dass das reale Konsequenzen für | |
| die Gesamtwirtschaft hat, wenn die Banken so weitermachen. | |
| Und die öffentliche Meinung? | |
| Bei Fragen wie Steuerhinterziehung spielt sie eine wichtige Rolle. Ich | |
| glaube, dass ein Wandel stattgefunden hat, zu dem Occupy beigetragen hat. | |
| Man kann nur hoffen, dass Blockupy das fortsetzen wird. | |
| Wie wären die Eliten denn zu beeindrucken? | |
| Nur über öffentlichen Druck. Am einfachsten geht es bei jenen Eliten, die | |
| sich in gewisser Abhängigkeit von der Stimmung in der Bevölkerung befinden. | |
| Also die politische Elite? | |
| Genau, die muss gewählt werden. Veränderungen in der Stimmung der | |
| Bevölkerung – Beispiel Mindestlohn oder Bankenregulierung – können nicht | |
| völlig ignoriert werden. Das ist in der Wirtschaft anders. Die entscheidet | |
| nach anderen Maßstäben. Sie ist allerdings indirekt abhängig, da die | |
| politische Elite Beschlüsse fassen kann, die auch die wirtschaftliche | |
| betreffen. Ohne Druck wird sich nichts ändern. | |
| Ist Blockupy als soziale Avantgarde nicht auch eine Erscheinungsform von | |
| Elite? | |
| Nein, denn Elite bedeutet immer Macht. Occupy und Blockupy stellen zwar | |
| Avantgarden dar, aber „Avantgarde“ bedeutet eigentlich „Vorhut einer | |
| Bewegung“. Diese nachrückende Bewegung hat jedoch bisher gefehlt. Es fehlt | |
| die breite Basis. Gerade in der jüngeren Generation herrscht eine Mischung | |
| aus Resignation und Anpassung vor. In den 60er und 70er Jahren kam das in | |
| Wellen, erst die Studenten-, dann die AKW- und dann die Friedensbewegung. | |
| Da waren Kontinuität und Breite gegeben. | |
| Geht von den Parteien Hoffnung aus? | |
| Das weiß ich nicht. Sie müssen aber auf die veränderte Stimmung in der | |
| Bevölkerung reagieren. Nehmen Sie die Grünen, die Steuervorschläge machen, | |
| die auch die eigene Klientel treffen – das drückt aus, dass sich in ihrem | |
| Wählerpotenzial die Einstellungen verändert haben. Unter ihnen sind viele | |
| aus dem öffentlichen Dienst, die zwar gut verdienen, aber trotzdem sehen, | |
| wie die sozialen Dienstleistungen kaputt gespart werden. | |
| Dieser Stimmungswechsel ist auch das Verdienst solcher Bewegungen, die | |
| thematisieren: „Wie sieht es eigentlich aus mit der Verteilung von | |
| Einkommen und Vermögen?“, „Wer zahlt wie viel Steuern?“. Bei der SPD ist… | |
| eher unklar. Steinbrücks Kompetenzteam vereint schön ausgeglichen Gegner | |
| und Befürworter der Agenda 2010. Da die SPD außerdem ein rot-rot-grünes | |
| Bündnis kategorisch ausschließt, spricht derzeit leider mehr für eine große | |
| Koalition als für eine politische Wende. | |
| Und Angela Merkel? | |
| In ihrer üblichen Art ignoriert auch sie den Stimmungswechsel nicht, nur | |
| stimmen bei ihr öffentliche Wahrnehmung und reale Politik nicht überein. | |
| Von der immer wieder beschworenen Sozialdemokratisierung ist in | |
| Wirklichkeit nichts zu sehen. | |
| Warum sollte sich also etwas ändern? | |
| Weil die Missstände unübersehbar geworden sind. Ein Stimmungswechsel | |
| zeitigt allerdings oft erst allmählich Wirkung. Mein Lieblingsbeispiel ist | |
| die Kernenergie. Wer in den siebziger Jahren dagegen protestiert hat, hat | |
| mehrheitlich Niederlagen erfahren. Mit zeitlicher Verzögerung sieht man: In | |
| Deutschland ist die Kernkraft am Ende. Vielleicht wird man in zehn oder | |
| zwanzig Jahren über Blockupy sagen: Das war mal der Ausgangspunkt dafür, | |
| dass sich etwas verändert hat. | |
| Muss Protest gegen die Globalisierung auch global, also | |
| internationalistisch sein? | |
| Eigentlich ja, aber die Strukturen, von den Eliten bis hin zum Arbeitsmarkt | |
| und den Sozialsystemen, sind immer noch überwiegend national. Das löst sich | |
| in Europa erst so langsam auf. Man braucht für eine internationale Bewegung | |
| einen Unterbau, der lokal verankert ist – und ein Thema, das nicht lokal, | |
| sondern international ist und vereinheitlichend wirkt. | |
| 2 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
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