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# taz.de -- Pro und Contra zum „Blockupy“-Protest: Ist der Protest sinnvoll?
> Sind die am Freitag beginnenden „Blockupy“-Aktionstage ein wichtiger Teil
> der europäischen Protestkultur? Oder geht es nur ums gute Gefühl? Ein Pro
> und Contra.
Bild: Zelten für den antikapitalistischen Widerstand: „Blockupy“-Camp in F…
JA: Das ist eine sehr deutsche Angelegenheit: lieber das Haar zu suchen,
als die Suppe zu kosten. Diese Eigenschaft gehört auch zum elementaren
Bestandteil der deutschen Protestkultur. Kampfauftrag Zersplitterung. Zum
bevorstehenden „Blockupy“-Protest wollen wieder viele besser wissen, was
die ProtestlerInnen falsch gemacht haben.
Den einen ist der Ort nicht geeignet genug, den anderen sind die Parolen zu
verkürzt oder zu differenziert. Wieder andere streiten darüber, ob es
Finanz- oder Kapitalismuskrise heißen muss. Solcher Streit ist
begrüßenswert, weil er zum Protest gehört. „Blockupy“ aber deswegen für
verfehlt zu halten ist angesichts der Situation in Europa absurd.
Natürlich lässt sich dem „Blockupy“-Protest, der nicht mit der
Occupy-Bewegung zu verwechseln ist, einiges vorhalten. Die
„Blockupy“-Aktionstage sind ein singuläres Ereignis, das von linksradikalen
Strategen entwickelt wurde, um die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen, die
zuvor die Occupy-Bewegung in Frankfurt generiert hatte. Wahr ist, dass die
Elite jener Strategen lange über das Chaos und die Beliebigkeit der
Occupy-Bewegung die Nase gerümpft hat. Aber es ist strategisch klug, daran
anzuknüpfen.
Die Tatsache, dass sich in Frankfurt ein organisierter Protest etabliert,
dessen Strukturen nachhaltig sein werden, kann niemand ernsthaft
kritisieren. Umso weniger, als es gerade das „Blockupy“-Spektrum ist, das
sich zwar begrenzt erfolgreich, aber aufrichtig darum bemüht, einen
europaweiten Austausch zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen in
Griechenland, Spanien und sonst wo zu organisieren. Dass „Blockupy
Frankfurt“ an diesem Wochenende Teil einer europaweiten Initiative geworden
ist, die außerhalb Deutschlands wahrgenommen wird, ist ein echter
Fortschritt.
Wer also die Form kritisiert, mit der Kritik an einem undemokratischen
Europa der Märkte formuliert wird, nutzt ein Instrument der
Delegitimierung. Die Gegner eines solidarischen Europas sitzen in Frankfurt
nicht auf der Straße, sondern in den Hochhäusern. Das sind die, denen man
in die Suppe spucken sollte. Martin Kaul
***
NEIN: Zugegeben, das Lenin’sche Bonmot, Deutsche würden erst eine
Bahnsteigkarte kaufen, ehe sie einen Bahnhof besetzen, ist reichlich
abgegriffen. Und es stimmt ja auch nicht mehr, wie nicht nur die
Gleisbesetzer von Gorleben zeigen. Aber das, was „Blockupy“ an diesem
Wochenende veranstaltet, kommt dem Kaufen von Bahnsteigkarten schon recht
nahe. Auch dessen zweite Auflage findet an einem Brückentag statt. Dann,
wenn eine Reihe von Bankbeschäftigten ohnehin ihren freien Tag genommen
hat.
Sicher geht es ohnehin nur um eine symbolische Aktion; ob die Europäische
Zentralbank (EZB) tatsächlich behindert wird, ist deshalb nicht
ausschlaggebend. Der Brückentagstermin ist aber ein Symptom dafür, dass die
Eurokrise selbst für linke Aktivisten eine abstrakte Angelegenheit
geblieben ist: Er zeigt die Angst der Organisatoren, nicht mal den
Blockierern könnte die Solidarität mit Europas Süden so wichtig sein, dass
sie einen zweiten Urlaubstag zur Anreise opfern.
Dennoch könnte „Blockupy“ wichtige Aufklärungsanstöße in einem Land geb…
das die Merkel’sche Austeritätspolitik noch immer für alternativlos hält.
Die Aktivisten müssten dann präzise über den Zusammenhang zwischen Banken-
und Schuldenkrise, Euroregeln und sogenannter Sparpolitik reden.
Die Konzeption des Blockadetages legt aber nahe, dass es bei „Blockupy“ vor
allem ums gute Gefühl geht. Heute soll nicht nur gegen die EZB demonstriert
werden, sondern in einem Rundumschlag gegen alles, was Linke noch nie
gemocht haben: Residenzpflicht, Abschiebungen, Immobilienhaie. Mit der
Eurokrise hat das wenig bis nichts zu tun.
Und warum überhaupt die EZB? 2012 hat ihr Chef, Mario Draghi, gegen den
erbitterten Widerstand der Deutschen durchgedrückt, dass die Bank
Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufkaufen darf – und damit die akuten
Refinanzierungsprobleme des Südens mit einem Schlag beendet.
Das Hauptproblem sitzt nicht in Frankfurt, sondern im Berliner
Bundeskanzleramt. Wer das Verarmen von Griechen, Spaniern und Italienern
beenden will, muss die Deutschen zu der Einsicht zwingen, dass ihr
Austeritätsfetischismus ein historischer Irrtum ist. „Blockupy“ in
Frankfurt wird dazu nichts beitragen. Martin Reeh
31 May 2013
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Martin Reeh
Martin Kaul
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