# taz.de -- US-Whistleblower in Hongkong: Soli-Demo für Edward Snowden | |
> In der Exkronkolonie gehen hunderte Menschen für den Enthüller der | |
> Netzüberwachung auf die Straße. Doch wie sich China im Fall Snowden | |
> verhalten wird, bleibt unklar. | |
Bild: Demonstration für Edward Snowden vor dem US-Generalkonsulat in Hongkong … | |
BERLIN taz | Am Samstag sind in der südchinesischen Sonderverwaltungsregion | |
Hongkong nach lokalen [1][Medienberichten] mehrere hundert Menschen für den | |
Whistleblower Edward Snowden auf die Straße gegangen. Sie trugen Plakate | |
und Transparente mit Aufschriften wie „Keine Auslieferung“ oder „Verteidi… | |
die Freiheit! Verteidigt Snowden!“ | |
Nach Veranstalterangaben marschierten 900 Personen zum Hauptsitz der | |
Regierung der autonomen Stadt und zum dortigen US-Konsulat. Nach | |
Polizeiangaben betrug die Zahl der Demonstranten nur 300. | |
„Wir fordern Hongkong auf, Snowden zu schützen, nicht auszuliefern und | |
zugleich Hongkongs Gesetze zu achten,“ sagte der Blogger Tom Grundy in | |
einer Rede während der nach Medienangaben dreistündigen Demo. Unter den | |
Teilnehmenden waren auch einige Abgeordnete aus der Demokratiebewegung, | |
Menschenrechtsaktivisten, Blogger und erstaunlich viele so genannten | |
Expatriates, in Hongkong lebende westliche Ausländer. Kurz zuvor hatten | |
einige Aktivisten einer Peking-nahen Partei gegen die US-Regierung | |
demonstriert. | |
## Bisher war Hongkongs Internet frei | |
Hongkong hatte bei seiner Rückgabe an China 1997 von der Regierung in | |
Peking für 50 Jahre Selbstverwaltung und Autonomie vertraglich zugesichert | |
bekommen. Während in der Volksrepublik das Internet massiv kontrolliert und | |
zensiert wird, ist es in Hongkong dagegen weitgehend frei. Die Justiz ist | |
unabhängig. | |
Der US-Bürger Snowden, der für ein Subunternehmen des US-Geheimdienstes NSA | |
arbeitete und eine massive globale Internetüberwachung durch die | |
US-Geheimdienste enthüllte, ist vor einer Woche in Hongkong untergetaucht. | |
Er war zuvor in die südchinesische Metropole geflohen, weil er nach eigenen | |
Worten der Autonomie, der Justiz und der großen Bereitschaft zur | |
Verteidigung der Freiheit der Hongkonger Bevölkerung vertraut. | |
Hongkong hat zur Zeit keine gültige Asylgesetzgebung, was eine Entscheidung | |
über Snowdens Schicksal verzögernt dürfte. Doch hat die Stadt im | |
Unterschied zu China ein Auslieferungsabkommen mit den USA. Dabei kann die | |
Regierung in Peking aber das letzte Wort haben, wenn sie ihre Interessen | |
berührt sieht. | |
## Offizielles Schweigen zu Snowden | |
In einer Umfrage der einflussreichen englischsprachigen Hongkonger | |
Tageszeitung [2][South China Morning Post] hat sich die Hälfte der | |
Befragten gegen eine Auslieferung Snowdens an die USA ausgesprochen. Die | |
Regierungen Hongkongs und China haben bisher nicht zu erkennen gegeben, wie | |
sie auf ein Auslieferungsabkommen der USA reagieren würden. | |
Hongkongs Peking-naher Regierungschef Leung Chun-ying sagte bisher nur, | |
seine Regierung werde entsprechend der Gesetze handeln. In Hongkong werten | |
dies manche als Hinweis, dass er sich nicht festlegen will und auf Vorgaben | |
aus Peking wartet. | |
Doch während auch die Regierung in Peking bisher jede offizielle | |
Stellungnahme vermieden hat, positionierten sich die staatliche | |
Propagandaagentur Xinhua und die offizielle englischsprachige Global Times | |
am Freitag deutlich. Beide freuten sich über die durch Snowden enthüllte | |
Scheinheiligkeit der US-Regierung: „Das falsche Image der USA von | |
'Demokratie, Freiheit und Menschenrechten' fällt in sich zusammen“, schrieb | |
Xinhua. Global Times sprach von der „Scheinheiligkeit und Arroganz“ der | |
USA, die von Snowden enthüllt worden seien. „Snowden ist ein großer | |
Übeltäter gegen die USA, aber was er macht ist von großem Nutzen für die | |
Welt,“ so das Blatt. | |
Snowden hatte der South China Morning Post Mitte vergangener Woche | |
berichtet, dass sich die US-Geheimdienste seit 2009 zu hunderten Computern | |
in China und Hongkong Zugang verschafft hätten. Bisher hatten die USA immer | |
China vorgeworfen, amerikanische Computer zu hacken. China hatte das stets | |
zurückgewiesen und seinerseits von Computerangriffen berichtet. | |
## Snowdens zwiespältige Rolle | |
Die Regierung in Peking ist um ein entspanntes Verhältnis mit den USA | |
bemüht, von daher ist sie nicht unbedingt drauf erpicht, durch den | |
möglichen Schutz Snowdens vor dem Zugriff der US-Justiz Washington zu | |
verprellen. Anderereits dürfte China daran interessiert sein, Zugang zu | |
Snowdens Wissen zu bekommen. Bisher ist allerdings nicht erkennbar, ob der | |
29-jährige Computerexperte sein Wissen mit chinesischen Vertretern geteilt | |
hat. Am einfachsten wäre für Peking, Hongkong selbst würde ihn an die USA | |
ausliefern, aber China zuvor Zugang zu seinem Computer ermöglichen. | |
Doch Snowdens Rolle ist auch in Hongkong zwiespältig. Die dortige | |
Demokratiebewegung sieht Hongkongs Freiheiten schon lange gefährdet. Sie | |
sieht Snowdens Schicksal deshalb jetzt mir ihren Freiheiten verknüpft, | |
weshalb sie sich auch für seinen Schutz einsetzt. Zugleich ist die | |
Demokratiebewegung von den USA enttäuscht, weil Washington bisher als | |
wichtiger Verbündeter gegen den wachsenden Einfluss Pekings galt, jetzt | |
aber selbst offenbar Hongkongs Internetverkehr überwacht. | |
Doch umgekehrt ist Snowden auch ein Kronzeuge für Peking-Loyalisten. Die | |
behaupteten bisher, in Hongkong gäbe es keine Aufweichung der Autonomie und | |
Freiheitsrechte. Für sie zeigt deshalb Snowdens Flucht von den USA nach | |
Hongkong, dass die Freiheiten in Hongkong sogar besser geschützt sind als | |
in den USA. | |
16 Jun 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.scmp.com/news/hong-kong/article/1261783/marchers-turn-out-suppor… | |
[2] http://www.scmp.com/news/hong-kong/article/1261483/one-2-hongkongers-say-sn… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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