| # taz.de -- Neuer Superman-Blockbuster: Harte Zeiten für Außenseiter | |
| > Viele Muskeln, wenig Seele und noch weniger Witze: „Man of Steel“, der | |
| > neue Superman-Film von Zack Snyder, ist ein zähes Vergnügen. | |
| Bild: Hui, da fliegt Superman Clark Kent (Henry Cavill). | |
| Was für ein Schicksal. Einmal auf der Erde zu landen – und dann | |
| ausgerechnet in Kansas. Das Interessanteste an Zack Snyders | |
| Superman-Adaption „Man of Steel“ ist die Geschichte, die der Film nicht | |
| erzählt, aber in Rückblenden immer wieder aufruft. | |
| Es ist die Geschichte eines Findelkinds, das adoptiert wird. Dem sein | |
| Anderssein als die anderen Kinder Angst macht. Und das seine wahren Talente | |
| verheimlichen muss, weil die Welt, wie sein Adoptivvater ihm sagt, noch | |
| nicht bereit ist, die Wahrheit zu ertragen. | |
| In Superman steckt natürlich eine ganz große Außenseitergeschichte über | |
| einen kleinen Jungen, der vom Planeten Krypton zur Erde geschickt wurde, um | |
| ihn zu retten. Gerade diese Außenseitergeschichte macht einen Großteil der | |
| Faszination für Zwölfjährige – und den Zwölfjährigen im Erwachsenen – … | |
| Sich als adoptierter Adelsspross zu imaginieren, kann helfen bei dem | |
| unweigerlichen Schicksal, sich während der Pubertät von seinen Eltern lösen | |
| zu müssen (Näheres lässt sich nachlesen in Freuds klassischer Studie „Der | |
| Familienroman der Neurotiker“). Aber Zack Snyder muss gewusst haben, dass | |
| er nicht der richtige Regisseur ist, um diese Geschichte zu erzählen. | |
| Also deckt er die Außenseitergeschichte zu – mit lauten Effekten, | |
| Zweikämpfen ohne Ende und einem Showdown, der einen kalt lässt. Psychologie | |
| ist nicht sein Ding, was in seiner großartigen Verfilmung der „Watchmen“ | |
| und der martialischen Kriegsfantasie „300“ auch gar nichts machte. Im | |
| Gegenteil, gerade in der unpsychologischen Fremdheit liegt ein Reiz dieser | |
| Filme. Aber in „Man of Steel“ ist er nun eben an seine Grenzen geraten. Am | |
| bezeichnendsten vielleicht, dass – während das explodierende Krypton am | |
| Anfang toll aus Science-fiction-Filmen wie „Alien“ zusammengeklaut ist – | |
| die Erde immer dann am meisten nach einem Comic aussieht, wenn sie | |
| eigentlich ganz real wirken soll. | |
| Das Manhattan, das am Schluss (inklusive dutzendfacher 9/11-Anspielungen) | |
| platt gemacht wird: eine riesige Kulisse. Die US-Armee: lauter | |
| Pappkameraden. Clarks Liebesgeschichte mit der Reporterin Lois Lane: | |
| unglaubwürdig. Nicht die Effekthascherei ist dabei das Problem. Sondern, | |
| dass die Superman-Figur im Zentrum leer bleibt.Die Rückblenden immerhin, in | |
| denen der Film die Geschichte des kleinen Clark Kent evoziert, aus dem | |
| einmal Superman werden wird, sind stark. | |
| Wie Clark sich als Junge einschließt, weil er Dinge wahrnimmt, die man | |
| eigentlich gar nicht wahrnehmen können sollte – er muss seinen Röntgenblick | |
| erst kontrollieren lernen. Oder wie der junge Erwachsene nach jeder | |
| Rettungstat (einmal hält er eine riesige Ölplattform so lange vom | |
| Einstürzen ab, bis die Mannschaft gerettet werden kann) wieder weiterziehen | |
| und seine Spuren verwischen muss. | |
| ## Coming of Age mit eindrucksvollem Oberkörper | |
| Dieser Coming-of-Age-Strang kumuliert in der einen Szene, in der sich Kevin | |
| Costner in einem Hurrikan opfert, um Clarks Fähigkeiten nicht der | |
| Öffentlichkeit zu verraten. All diese Krisen gehen an Clark Kent dann aber | |
| offensichtlich spurlos vorüber. Spätestens wenn der Schauspieler Henry | |
| Cavill (eindrucksvoller Oberkörper!) in den Superman-Anzug schlüpft, kann | |
| ihm nichts mehr etwas anhaben. | |
| Wer aber braucht Superhelden, die keine inneren Anfechtungen bestehen | |
| müssen? Und es hilft dramaturgisch keineswegs, dass die Gegenspieler | |
| berechenbar sind – es geht um einen Krypton-General, der dafür kämpft, die | |
| alte Ordnung Kryptons wiederherzustellen, in der jedem Einzelnen sein Platz | |
| von vornherein zugewiesen war. Während Clark sich, in etwas hölzernen | |
| Dialogen in den raren Kampfpausen, streberhaft dafür entscheidet, Mensch zu | |
| werden, weil er als solcher nach seiner eigenen Identität selbst suchen | |
| kann. | |
| Es hilft auch nicht, dass dieser Film so gar keinen Sinn für die wahren | |
| Herausforderungen der Jugend hat, die gerade darin liegen können, sich | |
| gleich mit zwei gütigen Übervaterfiguren herumschlagen zu müssen: Neben | |
| Kevin Costner ist Russell Crowe als leiblicher Kryptonvater zu sehen – noch | |
| so eine rundum perfekte Vatergestalt, von der sich abzugrenzen eigentlich | |
| sicher nicht leichtfällt. | |
| Seine Lautstärke (Musikbombast: Hans Zimmer) und seine Beflissenheit kann | |
| man diesem Film noch nachsehen. Aber seine Humorlosigkeit nimmt man ihm | |
| geradezu übel: gehört über sich selbst lachen zu können doch zu den | |
| unverzichtbaren Lebensbewältigungsstrategien von Außenseitern. Vielleicht | |
| läuft es darauf hinaus: Dieser Film hilft einem nicht, einer zu sein. | |
| „Man of Steel“. Regie: Zack Snyder. Mit Henry Cavill, Russell Crowe, Kevin | |
| Costner u. a. USA 2013, 143 Min | |
| 19 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
| ## TAGS | |
| Blockbuster | |
| Superhelden | |
| Hollywood | |
| TV-Serien | |
| Superman | |
| Mythos | |
| Kino | |
| Biografie | |
| Literatur | |
| James Bond | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Film und Serie „Watchmen“: Fernsehen toppt Hollywood | |
| Sat 1 zeigt den Superhelden-Film „Watchmen“. Doch der schafft die | |
| Komplexität des Comics nicht rüberzubringen – im Gegensatz zur HBO-Serie. | |
| Spielfilm „Batman v Superman“: Ach Jungs, vertragt euch doch | |
| Effekt jagt Effekt. Batman haut Superman. Aliens wollen die totale | |
| Zerstörung. „Batman v Superman“ ist ein Actionspektakel – flach und krud… | |
| Neue Superhelden-Serien im Fernsehen: Stark wie sonst niemand | |
| Mit „The Flash“ und „Gotham“ starten zwei altbekannte Superhelden-Mythen | |
| als Serien. Was fesselt die Zuschauer an diesen Geschichten? | |
| Neuer Kinofilm mit Ryan Gosling: Wenn der Vater mit dem Sohne | |
| Virtuos überinszeniert, denn die Geschichte ist am Ende doch sehr mager: | |
| Derek Cianfrances „The Place beyond the Pines“ leidet an einer banalen | |
| Botschaft. | |
| Film „Quellen des Lebens“: Roehlers fesselnde Peinlichkeiten | |
| Oskar Roehlers Film „Quellen des Lebens“ ist ein wilder Ritt durch seine | |
| Familiengeschichte. Er fordert kein Mitleid und hat keine Nachsicht mit | |
| seinen Figuren. | |
| Charles-Dickens-Verfilmung: Mehr als nur Routine | |
| Schon wieder wurde Dickens' „Große Erwartungen“ verfilmt, diesmal von Mike | |
| Newell. Der Regisseur beweist diesmal überraschenden Mut. | |
| „Skyfall“ – Der neue Bond: Auf Martini könnte man verzichten | |
| Im neuen Bond ist alles drin, was einen Bond ausmacht – das Girl, der | |
| Bösewicht, die exotischen Schauplätze. Aber der Film fühlt sich anders an. |