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# taz.de -- Neuer Kinofilm mit Ryan Gosling: Wenn der Vater mit dem Sohne
> Virtuos überinszeniert, denn die Geschichte ist am Ende doch sehr mager:
> Derek Cianfrances „The Place beyond the Pines“ leidet an einer banalen
> Botschaft.
Bild: Familienfoto: Der Bad-Boy Luke (Ryan Gosling) nimmt seine unerwartete Vat…
Schon seltsam: Da rast Ryan Gosling als Bankräuber mit einem Motorrad durch
amerikanische Vorstädte, um für sein Söhnchen ein Babybettchen zu kaufen.
Da blickt „Hangover“-Star Bradley Cooper als Kleinstadt-Cop sinnierend auf
seinen schlummernden Kleinen und schwört sich, ein guter Daddy zu werden.
Trotz dieser coolen Manpower, trotz wuchtig auftrumpfender Bilder und einem
einnehmenden Soundtrack kommt der Rezensentin ein Gassenhauer in den Sinn:
„Wenn der Vater mit dem Sohne einmal ausgeht …“ Dabei steht die
biedermeierliche Heinz-Rühmann-Assoziation quer zur eigenen
Erwartungshaltung an den neuen Film von Derek Cianfrance.
In seinem exzessiven Liebesdrama „Blue Valentine“ (2010) standen Anfang und
Ende einer Beziehung unvermittelt nebeneinander, trafen die anfänglich
zarten Gefühle auf rasende Hasszustände, die heftige Erregung zu Beginn auf
entfremdetes Nebeneinanderliegen im Bett.
In „The Place beyond the Pines“ geht Cianfrance nun chronologisch vor, und
wieder ist es eine so unaufdringliche wie virtuose Montage, die eine sich
über mehrere Jahrzehnte erstreckende Geschichte um verlorene Väter und auf
Abwege geratene Söhne zusammenhält. Cianfrances neuer Film besteht aus drei
Episoden, die zusammen einen antikisch anmutenden Rundumschlag zu einem
Thema ergeben sollen, an dem sich das US-amerikanische Kino leidend und
schnaufend abarbeitet.
## Der ewige Vater-Sohn-Konflikt
Quer durch die Genres,vom Independent-Film bis zum Blockbuster, geht es
immer wieder um die Gewalt, die von den Väter an die Söhne weitergegeben
wird. In seiner Struktur, den Perspektiv- und Tonlagenwechseln erinnert
„The Place beyond the Pines“ an den letzten Film des großen amerikanischen
Regisseurs Sydney Lumet, „Before the Devil knows you’re dead“, einen
Thriller, der zur shakespeareschen Familientragödie wird. Über Spannung,
Suspense und Genreversatzstücke versucht auch Cianfrance, sich zu einem
unlösbaren Vater-Sohn-Konflikt vorzuarbeiten.
Eher zufällig erfährt der Motorradstuntman Luke (Gosling) von seinem
Vaterglück. Er trifft seine frühere Affäre Romina (Eva Mendes) wieder, die
mit seinem Kind und einem anderen Mann zusammenlebt. Der Schausteller
beschließt sesshaft zu werden und findet bei einem Automechaniker
Unterschlupf.
Schon mit seiner Eröffnungssequenz versteht es Cianfrance, den Zuschauer in
die Geschichte des schönen Luke – wie er in Jahrmarktskreisen genannt wird
– hineinzuziehen. In einer einzigen langen Einstellung folgt man ihm über
den nächtlich-glitzernden Rummelplatz vorbei an lachenden, vergnügten
Menschen auf dem Weg zum nächsten Auftritt. Es ist dieser Gang durch die
Menge, der das Einzelgängertum des unentwegt rauchenden und von oben bis
unten tätowierten Mannes schon andeutet.
Stets wird die Kamera Tuchfühlung mit Luke halten und so eine schöne
Spannung aufbauen, etwa wenn er nach Banküberfällen aufs Motorrad springt
und in Großaufnahme sein konzentriertes, unbewegtes Gesicht während der
Fluchtfahrt zu sehen ist. Diese präzise choreografierten, ganz ohne Effekte
auskommenden Verfolgungsszenen täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass
der für seinen Sohn raubende Daddy nicht mehr als eine schön anzusehende
Klischeefigur bleibt. Zu übertrieben wirken die Tätowierungen als Zeichen
eines gelebten oder vernarbten Lebens, zu billig und zu genrehaft wirkt der
Schritt in die Kriminalität, um sich als fürsorglicher Vater aufzuspielen.
## Eine allzu banale Botschaft
Nachdem Luke nach einem Überfall in einen Schusswechsel mit der Polizei
geraten ist, betritt der nächste Jungvater die Bildfläche. Avery (Cooper),
der Cop mit abgeschlossenem Jurastudium, fühlt sich schuldig, weil er einem
Jungen den Vater genommen hat. Die Gewissensbisse führen jedoch nicht zu
einem engeren Verhältnis mit dem eigenen Kind, wie uns ein Zeitsprung
wissen lässt. Averys Sohn wächst bei der Mutter auf und wird erst als
Jugendlicher zum Vater ziehen, dem aber der eigene berufliche Werdegang
über alles geht.
Die Avery-Episode inszeniert Gianfranco gekonnt als klassisches
Korruptionsdrama im Polizistenmilieu, mit einem Wolf im Schafspelz als
Hauptfigur. Nur leider wird der von Bradley Cooper glaubwürdig gespielte
Wandel eines loyalen Polizisten zum Karriereschwein nicht mit einer ebenso
glaubwürdigen Geschichte unterfüttert.
Im großen Finale führt das Drehbuch schließlich die beiden Söhne zusammen.
Zwei von ihren Erzeugern verlassene Jungs, die ihre Seelenverwandtschaft
mit den Waffen der Väter zu bekämpfen versuchen. Und spätestens in dieser
dritten Geschichte geht Cianfrance der inszenatorische Atem aus, verlieren
die Bilder ihre Sogwirkung, präsentiert sich ganz unverstellt die allzu
banale Botschaft des 140 Minuten langen Epos: Der Apfel fällt nicht weit
vom Stamm.
„The Place beyond the Pines“. Regie: Derek Cianfrance. Mit Ryan Gosling,
Eva Mendes u. a. USA 2012, 140 Min.
12 Jun 2013
## AUTOREN
Anke Leweke
## TAGS
Kino
Filmkritik
Rosa von Praunheim
Girls
Bangkok
Pete Doherty
Blockbuster
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