# taz.de -- Kostümfilm mit Pete Doherty: Ein Hipster vergangener Tage | |
> In Sylvie Verheydes „Confession“ spielt der britische Musiker Pete | |
> Doherty einen Libertin im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts. | |
Bild: Rarer Glücksmoment, von Eifersucht und Liebesparanoia bedroht: Octave (P… | |
Manchmal hilft ein Kleidungswechsel, eine ausstatterische Reise in ein | |
vorheriges Jahrhundert, sind es andere Umfangsformen, Etiketten und | |
Konventionen, um Gefühle und Leidenschaften in neues Licht zu setzen. Im | |
Kostüm darf hemmungslos geschwärmt, geschmachtet und gelitten werden, und | |
ein zu eng geschnürtes Korsett kann ganz buchstäblich von den äußeren | |
Grenzen einer Beziehung erzählen. | |
In schöner Opulenz lassen sich in Gehrock und Ballkleid verschiedenste | |
Konzepte der Liebe durchspielen, und im besten Fall präsentiert sie | |
zwischen Rüschen, aufgemaltem Muttermal und Perücke ihre zeitgenössische | |
Ausformung. | |
Genau dies versucht Sylvie Verheyde in ihrer Adaption von Alfred de Mussets | |
1836 erschienenem Roman „Bekenntnisse eines jungen Zeitgenossen“. Die | |
verklärte Vorstellung, die ihr Held Octave von einer erhabenen Zweisamkeit | |
hegt, bettet sie ein in eine dekadente Jugendkultur, in eine nicht enden | |
wollende Party. Statt „Confession“ könnte der Film auch „Clubbed to Deat… | |
heißen. | |
Mit Vorliebe schaut sich die französische Regisseurin zu fortgeschrittener | |
Stunde in den Pariser Salons um, wenn die Röcke der Frauen hochgezogen sind | |
und die Männer mit nackten Oberkörper selbstversunken tanzen, die Kamera an | |
verschlungenen Armen, Beinen, Körpern entlanggleitet. | |
Hin und wieder unterbindet der Alkohol den weiteren Fortgang: Auf einem | |
jungen Mädchen liegend, muss sich der schöne Octave übergeben und sucht | |
danach lieber das Weite. Dennoch lässt er den Zuschauer aus dem Off wissen: | |
„Es dauerte nicht lange, bis ganz Paris mich zum größten Libertin | |
erklärte.“ | |
## Doppelter Exzess | |
Dieser Libertin wird von Pete Doherty, dem Exfrontmann der britischen | |
Rockbands Libertines und Babyshambles, gespielt. Ein Musiker, der die | |
eigene Zerrissenheit, Drogensucht, Beziehungsunfähigkeit in seinen Songs | |
verpackt, begibt sich auf die Spuren eines Schriftstellers, der in seinem | |
autobiografisch gefärbtem Roman an ähnlichen Symptomen leidet. | |
Will man nun von einem Casting-Coup im Sinne von „doppelt gemoppelt hält | |
besser“ sprechen? Verschmilzt die reale Gestalt Dohertys samt ihrer Exzesse | |
mit einer literarischen Figur? Oder schiebt sie sich in den Vordergrund? | |
Durch eine schöne Stilisierung entkommt die Regisseurin den Fallstricken | |
ihrer Besetzung. | |
Wiederholt lässt sie ihren Helden aus der Szenerie heraustreten, betont so | |
dessen Sonderposition (oder Doppelrolle) und schaut ihm dabei zu, wie er | |
auf das eigene Dasein schaut, auf sein Bedürfnis, den ihm einst zugefügten | |
Liebesschmerz in immer neuen Abenteuern und durchzechten Nächten zu | |
vergessen. Kopfschüttelnd, zweifelnd steht Octave/ Doherty dann da, zitiert | |
aus dem Off aus Alfred de Mussets Roman, bevor er sich dem Rausch hingibt | |
und seine Sinne betäubt. | |
## Füßeln mit dem besten Freund | |
Nicht verwinden kann er, dass er seine Geliebte Elise zu Beginn des Films | |
beim Füßeln ausgerechnet mit einem seiner besten Freunde erwischt. Beim | |
anschließenden Duell kommt er mit angeschossenen Arm davon, die eigentliche | |
Wunde will sich jedoch nicht schließen. | |
Diesen ins Herz getroffenen Jüngling spielt Doherty zunächst mit | |
hingebungsvollem Minimalismus; seine Stirn vermag er hinter Ponyfransen in | |
alle erdenklichen – skeptischen, zynischen, todtraurigen – Falten zu legen. | |
Jede Szene betritt er mit neuem Outfit, nicht der Stil, aber die dezenten | |
Farbkombinationen ändern sich. Die sorgfältig zersausten Haare werden von | |
einem Hut verborgen, der modisch schon auf halbem Wege zum Zylinder ist. | |
Und so mündet Dohertys hipsterhaftes Understatement in den gelangweilten | |
Überdruss des liebeskranken Octave. | |
Nur wird eben dieser Lebensstil weder in einer Vergangenheit verortet noch | |
in ein gegenwärtiges Lebensgefühl überführt. Hier macht es sich die | |
Regisseurin ein wenig zu leicht, wenn sie junge Männer auf galoppierenden | |
Pferden zeigt und Doherty ausführliche Textpassagen von de Musset aufsagen | |
lässt, die von verlorenen Söhnen und toten Vätern, von scheiternden | |
Systemen und neuen Kriegen handeln. | |
## Empfindung ist Leid | |
Auftritt Charlotte Gainsbourg. Sie spielt die junge Witwe Brigitte und | |
vermag die wahren Gefühle unseres Helden wieder zum Vorschein zu bringen. | |
Nur leider auch Octaves chronische Eifersucht und generelle Liebesparanoia, | |
die dem Glück nicht traut und Empfindung mit Leid gleichsetzt. | |
„Confession“ wird zum Kammerspiel mit klarer Rollenverteilung. Er gibt den | |
Ton an, sie unterwirft sich. Er zweifelt, sie ergibt sich ihm. Er | |
beschuldigt sie, sie büßt. Der Exzess der Ausschweifung wird in die | |
Zweierbeziehung verlagert. Das ist nicht nur für die Beteiligten | |
anstrengend. Doch Doherty/Octaves ausgeprägter Hang zur Selbstzerstörung | |
hat eine Kraft, die das Kostüm vergessen macht und eine beklemmende, im | |
besten Sinne zeitlose Eigenständigkeit entwickelt. Live hard, die young. | |
## „Confession“. Regie: Sylvie Verheyde. Mit Pete Doherty, Charlotte | |
Gainsbourg u. a. Frankreich u. a., 120 Min. Kinostart: Donnerstag, 20 Juni | |
2013. | |
20 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Anke Leweke | |
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