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# taz.de -- Film „Der Fluss war einst ein Mensch“: Vielleicht holt dich der…
> Jan Zabeils Spielfilmdebüt „Der Fluss war einst ein Mensch“ schickt einen
> jungen Deutschen nach Botswana. Er leistet eine bemerkenswerte
> Entmythisierung.
Bild: Auf der Reise durch den entmythisierten Kontinent: Szene aus „Der Fluss…
Macht sich ein Europäer nach Afrika auf, spricht man allzu gerne frei nach
Joseph Conrad von einer Reise ins Herz der Finsternis. Was aber nun, wenn
sich ein Regisseur gegen diese ewige Verklärung verwahrt? Wenn er versucht,
einer Region ihre Regionalität zu lassen, wenn ein deutscher Tourist eben
nichts anderes als ein Fremder in einem anderen Land ist.
Auch wenn der eher aufgeladene Titel „Der Fluss war einst ein Mensch“
anderes erwarten lässt – in seinem Regiedebüt verfolgt Jan Zabeil dennoch
die Entmythisierung des schwarzen Kontinents.
Man kommt nicht umhin, an Ulrich Köhlers Film „Schlafkrankheit“ zu denken,
der im vergangenen Jahr auf der Berlinale im Wettbewerb lief. Anhand der
Geschichte eines Entwicklungshelfers, der sich in Kamerun nach und nach
selbst verliert, reflektiert Köhler das Verhältnis von Europa und Afrika.
„Schlafkrankheit“ ist ein Film über unseren Blick auf einen anderen
Kontinent, über Afrika als europäische Idee und über eine Welt, die sich
dem Besucher umso mehr entzieht, je näher er ihr zu kommen versucht.
Interessanterweise beginnen beide Filme mit der fast identischen
Einstellung einer nächtlichen Autofahrt. Bei Köhler passieren mit
Baumstämmen beladene Laster das Bild. Sie bringen ihre Ladung Richtung
Europa, stehen für Wirtschaftsbeziehungen, Rohstoffhandel. Bei Zabeil
wiederum zieht im Bildhintergrund ein Gewitter auf, für den Bruchteil einer
Sekunde wird die Landschaft erleuchtet.
Immer wieder gibt es solche kurzen erhellenden Momente. Nur in Bruchteilen,
Fragmenten, Versatzstücken werden sich hier ein Land und sein Leben zu
erkennen geben. Plötzlich stehen zwei Tiere vor dem fahrenden Auto, die
Bremsen quietschen, Abblende ins Schwarz. Man wird nicht erfahren, ob etwas
und, wenn ja, was passiert ist. Auch diese Bewegung wird sich noch mehrmals
wiederholen, ein Kontinent behält seine Geschichte und Geschichten für
sich.
## Luftblasen lesen
Die Offenheit von Jan Zabeils Blick mag auch mit den
Produktionsverhältnissen seines Films zusammenhängen. Ohne die
branchenübliche Finanzierung, ohne ein Drehbuch ist hier ein kleines Team,
bestehend aus Schauspieler, Regisseur, Ton- und Kameramann in das größte
Inlanddelta der Erde nach Botswana gereist.
Ohne genau zu wissen, was er hier eigentlich zu suchen hat, sitzt Zabeils
namenloser Held (Alexander Fehling), ein etwa dreißigjähriger Tourist, auf
der Motorhaube seines geliehenen Jeeps. Neben sich eine zerdrückte
Bierdose, eine andere bereits in der Hand, schaut er in leicht angespannter
Haltung in den Himmel. Seine Beweggründe nach Afrika zu fahren, werden
nicht weiter thematisiert. Eher verhalten reagiert er auf die für ihn
ungewohnte Umgebung. Als er zu einem Fischer ins Kanu steigt, schlummert er
erst einmal ein.
In diesem Moment übernimmt der Film die Perspektive des alten Mannes, der
unbeeindruckt vom schlafenden Körpers, seiner Arbeit nachgeht. Nichts
anderes als der Augenblick scheint nun mehr zu zählen. Der Film wird pure
Gegenwart. Man beobachtet einen Menschen, der sein Boot zielsicher durch
die labyrinthischen Wasserwege lenkt. Er bringt es zum Stillstand, weil er
die Luftblasen von tauchenden Nilpferden erkennt, vermeidet so den
Zusammenstoß. Er holt seine Netze mit einer Routine ein, die auf eine
jahrzehntelange Erfahrung des Fischens verweisen.
## Eine Leiche im Kanu
Aus wenigen Handgriffen setzt sich vor unseren Augen ein ganz banaler
Alltag zusammen. Dass es auch ein Alltag ist, der die Wildnis, die Tiere
und den Menschen durch Mythen in Einklang bringt, wird beim Gespräch am
Lagerfeuer verhandelt. Der alte Mann erzählt von dem Elefanten, der den
Weißen vielleicht holen wird, dann schläft er ein und wacht nicht mehr auf.
Nun sieht sich der junge Mann mit einer Leiche im Kanu und einer Natur
konfrontiert, die ihm nicht geheuer ist.
Wenn er den Kampf seines Helden gegen die Unwegsamkeit dieser Landschaft
verfolgt, gelingt es Jan Zabeil, zwei Blickwinkel auf das mächtige
Flussdelta gleichberechtigt nebeneinanderher laufen zu lassen. Für
Alexander Fehlings Figur sind die Flusspflanzen Hindernisse, die ihm ins
Gesicht peitschen. Für ihn ist das permanente Zirpen der Grillen, das
Rauschen des Wassers, das ferne Gebrüll größerer Tiere ein bedrohlicher
Sound, der von den Bewohnern wiederum als vertrautes Konzert der Natur
wahrgenommen wird.
„Der Fluss war einst ein Mensch“ – der Titel bezieht sich auf eine Legend…
mit der die Einheimischen ihre Umgebung belegen. Und eines macht dieser
Film deutlich: Dieses Land braucht nicht unseren Blick, unsere Verklärung,
unserem Hang zur Mythisierung, um zu existieren. Es lebt seine ganz eigenen
Legenden.
## „Der Fluss war einst ein Mensch“, Regie: Jan Zabeil. Mit Alexander
Fehling, Sariqo Sakega u. a. Deutschland 2011, 83 Min.
27 Sep 2012
## AUTOREN
Anke Leweke
## TAGS
Pete Doherty
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