| # taz.de -- Film „On the Road": Keine Ahnung von Ekstase | |
| > Sex'n'Books'n'Jazz? Fehlanzeige. Die Leinwandversion von Kerouacs „On the | |
| > Road“ hat keine Bilder für das, worum es den Beatniks ging. | |
| Bild: Liegt mit Sal und Dean im Bett, die sich aber auch ziemlich lieb haben: M… | |
| Was vergangen ist, ist ungefährlich, was ungefährlich ist, ist endlich | |
| genießbar. So scheinen die Produzenten des Films „On the Road“ gedacht zu | |
| haben, als sie sich Jack Kerouacs gleichnamigen Roman vorgenommen haben. | |
| Die Geschichte geht so: der junge Sal Paradise (den Sam Riley spielt) | |
| trifft im New York kurz nach dem 2. Weltkrieg den Herumtreiber Dean | |
| Moriarty (Garrett Hedlund), von dem es heißt, dass er ein Drittel seines | |
| kurzen Lebens im Knast, ein weiteres Drittel in der Staatsbibliothek | |
| verbracht habe. Moriarty nimmt Sal mit auf eine Reise durch die USA – | |
| zeitweise werden sie begleitet von der noch minderjährigen Marylou (Kristen | |
| Stewart), mit der Moriarty kurz verheiratet ist. | |
| Zudem trifft man Camille, mit der Moriarty später verheiratet sein wird, | |
| und viele sympathische und wenige unsympathische Spinner, mit denen man | |
| kifft und säuft. Schließlich erweist sich Dean als ein Freund, der Sal | |
| verrät – wie alle seine Gemahlinnen. Sal wiederum kommt nach einem | |
| Höllentrip in Mexiko zu sich. | |
| ## Bibel der Beatniks | |
| Und zu seinem Buch: Er schreibt nach der Trennung von Dean ihre Geschichte | |
| auf, schreibt also jenes Buch, auf dem der Film basiert. Kerouacs Roman „On | |
| the Road“, der 1957 erschien und auf Kerouacs Roadtrip in den Jahren 1947 | |
| bis 1950 basiert, war ein Meisterwerk, das weit mehr war als eine | |
| Geschichte – durch seine den Jazzsynkopen nachempfundene Sprache wurde der | |
| Roman schnell zu einer Art Bibel der Beat-Generation. | |
| Doch obschon sich die Schauspielerinnen und Schauspieler redlich Mühe geben | |
| und lediglich Kirsten Dunst aus Rücksicht auf ihre Kollegen nicht ihr | |
| volles Können zeigt, bleibt in der Verfilmung des Romans von dem Aufstand | |
| nicht mehr viel übrig. Das liegt daran, das der Film keine Gesellschaft | |
| kennt, gegen die man revoltieren müsste. | |
| Sal und Dean sind hier zwei männerbündische Männer, die zwar „Ich liebe | |
| dich“ sagen und sich innig umarmen können, doch die Regie begegnet | |
| ansonsten den wirklich offen Schwulen, die sie en passant zeigt, mit | |
| Vorurteilen. | |
| Andererseits halten Drehbuchautor Jose Rivera und Regisseur Walter Salles | |
| neben Joints und Alkohol allein nackte Frauenkörper für Symbole der | |
| Freiheit. Garrett Hedlund darf zwar seinen unbekleideten Hintern zeigen, | |
| jedoch hat er immer kurz zuvor mit einer Frau geschlafen, bevor er seinen | |
| Freunden nackt die Tür öffnet und mit ihnen feiern geht. | |
| ## Fehlende Bildsprache | |
| Der Film ignoriert die erotische Anziehung, die zwischen Sal und Dean im | |
| Roman herrscht, selbst dann, wenn sie gemeinsam mit Marylou im Bett liegen, | |
| und verkennt so einen der Gründe für den enormen Erfolg des Buchs. | |
| Auch sonst findet der Film nur selten eine Bildsprache für das, was er | |
| zeigen will. Einmal gelingt es: man sieht die unbenutzte Schreibmaschine, | |
| Schnitt, sieht eine Landstraße, Schnitt, sieht Sal, wie er aus dem Fenster | |
| schaut und raucht. Eine Schreibkrise hat der Reisende, er will zurück auf | |
| die Straße. | |
| Doch was „On the Road“ als Buch so mitreißend macht, die Beschreibung von | |
| Sex ’n’ Books ’n’ Jazz, lässt der Film weitgehend außen vor. Salles h… | |
| keine Idee, wie er die Wirkung von Musik zeigen soll, wie er den | |
| Drogenrausch zeigen soll,wie er Sex zeigen soll, alles wirkt so, wie es | |
| auch in einem Mittelalterfilm hatte gezeigt werden können, die Ekstase ist | |
| dieselbe. | |
| Die rassistische Welt der USA zu dieser Zeit, die Sal aufzubrechen versucht | |
| und nicht aufbrechen kann, deutet der Film nur an. Die sexuelle | |
| Selbstbestimmung, nach der Marylou sucht, können die sehnsuchtsvollen Augen | |
| von Kristen Stewart allein nicht verkörpern. Und die für Kerouac so | |
| wichtigen Bücher – von Joyce, Woolf, Faulkner oder Proust – zeigt Salles | |
| just so, wie er die Oldtimer zeigt: als Dekor. | |
| Leute behaupten Dichter zu sein, es muss reichen, wenn sie aussehen wie | |
| Ginsberg oder Burroughs. Dementsprechend reden die Figuren nur dummes Zeug, | |
| damit es bloß nicht zu intellektuell wird. Der Film redet über Dinge, ohne | |
| sie zeigen zu können. | |
| On the Road. Unterwegs“. Regie: Walter Salles. Mit Garrett Hedlund, Sam | |
| Riley, Kristen Stewart u. a. Frankreich/Brasilien 2012, 137 Min. | |
| 4 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Sundermeier | |
| ## TAGS | |
| Karlsruhe | |
| Deichtorhallen Hamburg | |
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