# taz.de -- Til Schweigers Film „Schutzengel“: Trockenes Graubrot | |
> Naivitäten hauchen: Til Schweigers neuer Film „Schutzengel“ fragt: Du, | |
> wie ist das - Krieg? Da helfen dann auch keine Assoziationen zu Rambo. | |
Bild: Echte Action oder nur billiges Pathos? | |
„Ich glaube, der hält sich für John Rambo“, heißt es an einer Stelle in … | |
Schweigers neuem Film „Schutzengel“. Allzu weit hergeholt ist diese | |
Assoziation zwar nicht: Wie Rambo bei seinem ersten Filmauftritt 1982 ist | |
auch der Schutzengelheld Max (Schweiger selbst) ein soziophober | |
Kriegsheimkehrer, der sich mit Guerillamethoden und Waffeneinsatz im | |
Alleingang gegen einen ganzen Staatsapparat in Stellung bringt. | |
Doch wirkt dieser ausgestellte Verweis auf die Actionfilmgeschichte auch | |
wie ein großes Stück Butter, das mit fettigem Glanz über das trockene | |
Graubrot hinwegtäuschen soll, auf dem es liegt. | |
Gemessen an Rambos existenzialistischem Gram über sein In- beziehungsweise | |
Aus-der-Welt-Geworfensein wirken Schweigers graue, unrasierte | |
Gesichtsfurchen, die die Ausleuchtung sorgfältig zur Geltung bringt, wie | |
billiges Pathos. Seine Wortkargheit, sein Ingrimm, seine soldatische | |
Entschlossenheit, die auf einen inneren seelischen Schmerz schließen lassen | |
sollen, suggerieren ein Trauma, dem es an Substanz aber gehörig mangelt: | |
Weder ist Max versehrt noch in der Heimat ein vor die Tore gejagter Paria. | |
Freilich ist ihm, wenn auch nicht als erstem Mann der Welt, die Freundin | |
weggelaufen. Wie zum Hohn ist der zweite Veteran in diesem Film, Rudi | |
(Moritz Bleibtreu), der seine Waden in Afghanistan verloren hat, ein | |
glänzend aufgelegter Witzereißer, den Joint locker im Mundwinkel. | |
Der dräuende Held also als eitle Pose eines Hauptdarstellerregisseurs. Zum | |
Berliner Großstadt-Rambo wird er, weil er das Leben einer jungen Waise, | |
Nina (Luna Schweiger), im Zeugenschutzprogramm eines Prozesses gegen einen | |
schmierigen Waffenindustriellen (Heiner Lauterbach) unter vollem Einsatz | |
schützt – und dies, bald nachdem klar wird, dass die Polizei unterwandert | |
ist, komplett auf eigene Faust: querfeldein im Kugelhagel, die Waffe stets | |
im Anschlag. | |
Groß angelegte Actiontableaus sind dabei Schweigers Sache nicht: Stets aufs | |
Neue entgleitet ihm die Orientierung, verliert er sich in hektisch | |
montierten Close-ups und setzt auf Gerumpel statt auf Präzision. Anders | |
dagegen die konzentrierten Suspenseminiaturen von hypnotischer Qualität, in | |
denen die Angespanntheit der Figuren direkt in die Filmform übersetzt ist: | |
Wenn Rudi von einem widerlichen Polizisten im verbalen Gefecht, das stets | |
in die physische Auseinandersetzung überzugehen droht, in die Mangel | |
genommen ist, wird jedes Muskelzucken im Gesicht als Kino reinster Form zum | |
Spektakel. | |
Der seit Dominik Grafs Kinoflop „Die Sieger“ (1994) scheinbar kaum mehr zu | |
realisierende Traum vom großen Actionthriller made in Germany blitzt in | |
solchen Momenten immer wieder auf, zum Greifen nah. Umso betrüblicher, dass | |
Schweiger nun gerade nicht nach solchen Früchten die Hände streckt, sondern | |
neuerlich auf den seit „Barfuss“ und „Keinohrhasen“ bestens erprobten | |
Schweiger-Touch setzt: Da werden mit unschuldigem Blick Naivitäten gehaucht | |
(„Du, wie ist das – Krieg?“), wird in länglichen Dialogen Schmus gewälzt | |
und alles Substanzielle, das einem düsteren Actionfilm eignet, ins | |
verkitscht Märchenhafte verschoben. | |
Der Veteran wird darüber zum moralisch legitimierten Aufpasser, der kurz | |
vor der Abfahrt ins Keinohrhasen-Postkartenwunderland noch eben mittels | |
vollends terroristischer Methoden sein, im Grunde, Herz aus Gold unter | |
Beweis stellt. | |
Rambos Furor entlud sich auch, weil die Provinz ihn von Grund auf ausstieß. | |
„Schutzengel“ stammt unterdessen mitten aus ihrem Herzen. | |
„Schutzengel". Regie: Til Schweiger. Mit Til Schweiger, Luna Schweiger. | |
Deutschland 2012, 132 Min. | |
28 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
## TAGS | |
Sylvester Stallone | |
Tatort | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Rambo Last Blood“ im Kino: Toxische Männlichkeit am Stock | |
„Rambo Last Blood“ ist ein böser Traum aus Rassismus, Selbstmitleid und | |
Misogynie. Und eine Illustration der Abgründe der Trump-Ära. | |
Til Schweigers „Tatort“-Debüt: Erfrischend reaktionär | |
Der neue Tatort-Kommissar ist eine Mischung aus den üblichen | |
Til-Schweiger-Charakteren. Er redet weniger und schießt mehr als die | |
meisten seiner Kollegen. | |
Film „On the Road": Keine Ahnung von Ekstase | |
Sex'n'Books'n'Jazz? Fehlanzeige. Die Leinwandversion von Kerouacs „On the | |
Road“ hat keine Bilder für das, worum es den Beatniks ging. |