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# taz.de -- „Rambo Last Blood“ im Kino: Toxische Männlichkeit am Stock
> „Rambo Last Blood“ ist ein böser Traum aus Rassismus, Selbstmitleid und
> Misogynie. Und eine Illustration der Abgründe der Trump-Ära.
Bild: Gut gealtert? Sylvester Stallone, zum mutmaßlich letzten Mal als „Ramb…
Rotglühend geht die Sonne auf. Die Latina-Haushälterin kocht Kaffee für den
müden Helden John Rambo (Sylvester Stallone), der als Pferdezüchter mit
Jeansjacke und Stetson in Arizona seinen Lebensabend fristet. Die
Ranch-Szenerie ist ein sandfarbenes Americana-Klischee, ein
Norman-Rockwell-Idyll. Unter der hübschen Oberfläche hat Rambo, den
Stallone wie immer wortkarg und mit steinerner Mimik gibt, ein Tunnelsystem
angelegt.
Das ist eine Referenz an „Rambo 2“, in dem Stallone in den 80er Jahren im
Kino im Alleingang den Vietnamkrieg gewann (und an den Vietcong, der sich
in Tunneln vor den US-Bomben verbarg). Dieser Tunnel ist ein metaphorischer
Raum, in dem der Held seine finstereren Erinnerungen an Krieg und Gewalt
eingebunkert hat.
Nun droht Veränderung: Rambos Nichte und Ersatztochter Gabrielle (hübsch
und leer: Yvette Monreal), gleichsam seine „Familie“, will die Ranch
verlassen und aufs College gehen. Frauen, die etwas wollen (ziemlich egal,
was), sind in Rambo-Filmen immer Vorboten eines Gewaltorkans.
In den 80er Jahren tauchten mit Stallone, Chuck Norris und Arnold
Schwarzenegger nicht zufällig Muskelhelden auf. Die proletarischen Körper
waren in den automatisierten Fabriken nichts mehr wert. Sie wurden
ästhetisch, hypertrophe Kunstprodukte, die in Fitnesscentern, den neuen
Kathedralen des Maskulinen, geschaffen wurden. Die wortkargen Helden waren
seltsame Mixturen: halb Maschine, wie die Terminator-Filme überdeutlich
zeigten, halb Wilde.
John Rambo, so war es in der ersten komplexen, kritischen Rambo-Episode
„First Blood“ (1982) zu erfahren, hat deutsche und indianische Vorfahren
und massakrierte seine Feinde mit Messer und Pfeil und Bogen. Stallones
Figuren Rambo und Rocky verkörperten die Wut der weißen Arbeiterklasse, die
niemand mehr brauchte, nachdem die Fabriken dichtgemacht hatten. In der
mittlerweile achtteiligen Rocky-Saga blitzt in einigen Augenblicken auf,
dass nicht der Russe, nicht der schwarze Konkurrent, sondern der
Kapitalismus das Problem ist.
## Keine Selbstreflexion, nichts Spielerisches
Als Körperschauspieler alt zu werden ist nicht einfach. Der Verfall ist,
trotz Muskelpräparaten und der Operation, die in Stallones Gesicht unschöne
Spuren hinterlassen hat, unaufhaltbar. Das Kapital der Muskelhelden löst
sich buchstäblich auf. Stallone, 73 Jahre alt, ist indes nicht nur
Körperschauspieler, sondern als Drehbuchautor und Regisseur so etwas wie
einer der letzten Autorenfilmer in Hollywood.
Er hat in den letzten zehn Jahren eine trotzige Antwort auf das Drama der
alternden Körperhelden geschaffen: den Rentner-Actionfilm. In der sehr
schlicht gestrickten Trilogie „The Expendables“ gibt es neben den üblichen
Schurken, digitalfreier, nach Schweiß und Diesel riechender Action ein paar
hübsche Cameo-Auftritte von Schwarzenegger und Bruce Willis. Und ein paar
Momente ironisch gebrochener Alterswürde.
„Last Blood“ hat nichts davon. Keine Selbstreflexion, nichts Spielerisches.
„Last Blood“ ist ein neurotisches Psychogramm des alten weißen Amerika in
den Zeiten von Donald Trump, angetrieben von kaputten Ängsten und
bodenloser Wut. Die Story überraschungsfrei zu nennen wäre untertrieben.
Die Nichte Gabrielle wird in Mexiko von der Mafia entführt, geschlagen und
geschunden, zur Prostitution gezwungen und getötet.
## Mexiko als Abgrund aus Dreck
Stallone wird, wie in allen vier Rambo-Filmen zuvor, erst zu blutigem Brei
geprügelt, ehe der pflichtgemäße Rachefeldzug beginnt, der vorhersehbar in
dem Vietcong-Tunnel endet. „Death is coming“, sagt er, trennt Köpfe ab,
drückt Kehlköpfe ein. Knochen splittern, Arme und Beine fliegen durch die
Luft. Der Soundtrack feiert jede spritzende Wunde und Blutfontäne als Sieg.
Rambo feuert MG-Salven noch auf Leichen und trennt am Ende mit einem
Schlachtermesser den Brustkorb eines Schurken auf und reißt ihm mit der
blanken Hand das Herz heraus. Rambo kann nicht ironisch werden, deshalb
wird die Gewalt hysterisch.
Als Gabrielle mit dem Auto die Grenze zu Mexiko überquert, fährt die Kamera
in die Höhe und der Soundtrack annonciert, dass dies das Tor zur Hölle ist.
Mexiko ist ein Abgrund aus Dreck, Korruption und Gewalt. Einmal stürzt sich
eine Horde mexikanischer Polizisten auf blutig geschlagene gefangene
Frauen, um sie zu vergewaltigen.
Im Kino, sagt Jean-Luc Godard, glauben wir an die Wirklichkeit des Films
und nicht daran, dass der Film die Wirklichkeit spiegelt. Das
Referenzsystem von Filmbildern sind Filmbilder, nicht Präsidenten. Doch die
Mexiko-Inszenierung in „Last Blood“ bebildert überdeutlich Trumps
rassistisches Klischee, dass aus Mexiko nur Drogen, Kriminalität und
Vergewaltiger kommen.
„Last Blood“ ist keine Geschichte, in der ein Actionheld (wie in den Filmen
mit Vin Diesel oder Bruce Willis) mit infantiler Lust etwas kaputtmacht und
noch im Gewaltexzess etwas von der kindlichen Freude spürbar ist, etwas in
die Luft zu jagen. Rambo war immer faschistischer als die anderen
Körperhelden. Frauen existieren in seinem Universum fast nur, um
Rachefeldzüge in Gang zu setzen.
## „Wie dunkel das Herz eines Mannes sein kann“
Mitunter schienen die Blutbäder, die er anrichtet, eine Art Abwehr gegen
ihre Verführungen zu sein, die den männlichen Körperpanzer zu erweichen
drohten. Rambo schien nur lebendig zu sein, wenn er gefoltert wurde oder
folterte, töten und schlachten durfte und alles Lustvolle, Sexuelle
verbannt war. Die Rambo-Filme siedeln sehr nahe an faschistischer
Todessehnsucht.
Nur Gabrielles Unschuld, sagt Rambo in „Last Blood“, habe ihn vor seinen
Dämonen gerettet. Doch Gabrielle, „die reine Unschuld“, wie mehrmals
betont, will ihn und die Ranch verlassen. In Mexiko fragt eine Freundin
Gabrielle, ob sie etwa noch Jungfrau sei. Die Körper, die sich im
Stroboskoplicht in der Disco in Mexiko erotisch bewegen, sind Zeichen
schrecklicher Gefahr – der Film suggeriert, für Gabrielle, aber eigentlich
für Rambo. „Du weißt nicht, wie dunkel das Herz eines Mannes sein kann“,
sagt er finster zu seiner angebeteten Ersatztochter. „Last Blood“ ist
vielleicht die sexualneurotisch aufgeladene Fantasie eines alten Mannes,
der eine südländische Traumlandschaft aus Sex und Gewalt erfindet, um die
Frau zu bestrafen, die ihn verlässt.
„Last Blood“ erzählt nicht die Geschichte eines Helden, der eine in
Unordnung geratene Welt rabiat wieder ins Lot bringt. Am Ende liegt ja
alles in Trümmern, Stallone blutend in einem Schaukelstuhl auf der Terrasse
seiner Ranch, die aussieht wie ein Schlachtfeld. Die Feinde sind zerfetzt,
seine „Familie“ ist vernichtet. Es gibt nur noch ihn. Im letzten Bild
reitet er auf dem Pferd gen Horizont.
Der gar nicht mal heimliche Traum der Rambo-Figur ist es, alles „zu
kontrollieren“, so sagt er es wirklich. Sein Wunschtraum ist eine Welt ohne
Veränderung, völlig kontrollierbar und gereinigt von allem Lebendigen (und
das erinnert uns an manche rechtspopulistischen Angstbilder). In dieser
gefrorenen, engen Welt gibt es für den Helden keine Erlösung, nicht in der
Familie, nicht in der Einsamkeit. Noch nicht mal im Tod.
18 Sep 2019
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Sylvester Stallone
Rambo
Toxische Männlichkeit
Neu im Kino
Memes
Schwerpunkt #metoo
Ari Aster
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