| # taz.de -- Beratungsstelle für Nazi-Opfer: „Enorm spät, vielleicht zu spä… | |
| > Neun Jahre nach dem NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße eröffnet am | |
| > Montag eine Beratungsstelle für die Opfer. Türkisch wird da aber nicht | |
| > gesprochen. | |
| Bild: Bei einem Anschlag des NSU in der Keupstraße, Köln, wurden vor 9 Jahren… | |
| KÖLN taz | Gut neun Jahre nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße | |
| wird in Köln ein spezielles Beratungsangebot für die Opfer rechtsextremer | |
| Gewalt eingerichtet. Am kommenden Montag startet das von der Stadt Köln und | |
| dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) finanzierte Projekt. Getragen wird | |
| es vom Diakonischen Werk, und es soll bei sozialen, rechtlichen oder | |
| psychischen Problemen Unterstützung bieten. | |
| Bei dem Attentat, das dem rechtsterroristischen NSU | |
| (Nationalsozialistischer Untergrund) zugeschrieben wird, waren am 9. Juni | |
| 2004 mehr als 22 Menschen türkischer Herkunft zum Teil schwer verletzt | |
| worden. „Die Tatsache, dass die Opfer von den Ermittlern zunächst in die | |
| Position der Beschuldigten gebracht wurden, hat zu einer zusätzlichen | |
| Verletzung der Betroffenen geführt“, sagte der Kölner Oberbürgermeister | |
| Jürgen Roters (SPD) bei der Vorstellung des Projekts im Kölner Rathaus. | |
| Angeregt wurde es von dem Linkspartei-Ratsfraktionschef Jörg Detjen und dem | |
| SPD-Ratsherrn Walter Schulz, dem Bruder des EU-Parlamentspräsidenten Martin | |
| Schulz. | |
| Das neue Beratungsangebot solle „dazu beitragen, dass verlorenes Vertrauen | |
| wiederaufgebaut wird“, sagte LVR-Direktorin Ulrike Lubek. „Wir sind enorm | |
| spät dran, vielleicht zu spät“, räumte sie ein. | |
| ## Opfer wirken traumatisiert | |
| Bis heute kämpfen viele AnwohnerInnen der Keupstraße mit den Folgen des | |
| Anschlags. Einige sind auch heute noch nicht dazu in der Lage, über ihre | |
| Erlebnisse zu sprechen, und wirken auf ihre Umgebung traumatisiert. Der | |
| Münchener NSU-Prozess, der auch in dieser Woche fortgesetzt wird, „hat alte | |
| Wunden aufgerissen“, sagte eine Anwohnerin der taz. „Wir haben überhaupt | |
| keine Unterstützung bekommen, um die psychischen Folgen zu bewältigen.“ | |
| Sie war zum Zeitpunkt der Explosion nicht in der Straße. Aber ihr Mann und | |
| ihre Tochter überlebten den Anschlag nur, weil sie sich zufällig im | |
| hinteren Bereich ihres Ladenlokals aufhielten. „Sie leiden bis heute unter | |
| den Folgen“, sagte die Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte. | |
| Das Beratungsangebot ist zunächst auf ein halbes Jahr angelegt und soll | |
| „niedrigschwellig“ sein. „Unsere Zielgruppe sind die Menschen, die mit | |
| anderen Angeboten noch nicht erreicht worden sind“, sagte Helga Blümel vom | |
| Diakonischen Werk des Evangelischen Kirchenverbands Köln. | |
| Insgesamt sollen dafür 20.000 Euro zur Verfügung stehen. Jeweils 7.000 Euro | |
| kommen von der Stadt Köln und dem LVR. Den Rest soll die | |
| NRW-Landesregierung beisteuern. Noch ist allerdings ungewiss, ob sie dazu | |
| bereit ist. | |
| Ob die Opfer tatsächlich erreicht werden, ist ebenfalls ungewiss. „Wir | |
| müssen schauen, ob das Angebot angenommen wird“, sagte Blümel. Eine | |
| Mitarbeiterin der Diakonie werde zweimal in der Woche in der Keupstraße auf | |
| die AnwohnerInnen zugehen. | |
| ## Mitarbeiterin spricht kein Türkisch | |
| Ein Problem dürfte allerdings sein, dass das Hilfsangebot zwar auf Flyern | |
| auch auf Türkisch und Kurdisch erläutert wird, die ausgewählte | |
| Mitarbeiterin selbst jedoch beide Sprachen nicht spricht, wie Blümel auf | |
| Nachfrage einräumen musste. Ob sich so ein Zugang zur türkischstämmigen | |
| Community finden lässt, ist fraglich. | |
| Neben fünf mobilen Beratungsstellen gibt es in NRW bislang nur zwei feste | |
| Anlaufpunkte für Opfer rechtsextremer Gewalt, die mit 209.000 Euro vom Land | |
| gefördert werden. Im Juli 2012 wurde die Opferberatung Rheinland ins Leben | |
| gerufen. Aktuell betreut sie mehr als 50 Personen. | |
| Auch AnwohnerInnen aus der Keupstraße haben sich an die Einrichtung | |
| gewandt, berichtete Projektleiterin Birgit Rheims. „Deshalb wissen wir, | |
| dass es einen Bedarf an Beratung gibt.“ Eine Anlaufstelle vor Ort | |
| einzurichten sei jedoch „nicht gelungen, weil uns die Ressourcen fehlten“, | |
| sagte Rheims. Deshalb begrüße sie die jetzige Lösung. | |
| Für den Landesteil Westfalen gibt es in Dortmund seit November 2011 die | |
| Beratungsstelle „Back up“. Dem NSU wird der Mord an dem Dortmunder | |
| Kioskbesitzer Mehmet Kubasik im April 2006 zugeschrieben. | |
| „Wir betreuen auch Angehörige des Opfers, aber das ist nicht der Grund für | |
| unsere Gründung“, sagte Claudia Luzar, Projektleiterin von „Back up“. Die | |
| Beratungsstelle sei ins Leben gerufen worden, weil es sehr viele Fälle von | |
| Körperverletzung, Bedrohung oder Beleidigung durch Neonazis in Westfalen | |
| gibt. Allein im Jahr 2012 haben sich 100 Betroffene an „Back up“ gewandt. | |
| 30 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| Anja Krüger | |
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