# taz.de -- Zeugin verheddert sich im NSU-Prozess: Verwirrende Aussage | |
> Eine Nachbarin des mutmaßlichen NSU-Opfers Abdurrahim Özüdoğrus | |
> verstrickt sich vor Gericht in Widersprüche. Als Grund gibt sie an, Angst | |
> vor der Aussage zu haben. | |
Bild: Was sie wohl von der Zeugenaussage hielt? Angeklagte Zschäpe (m.) mit Ve… | |
MÜNCHEN taz | Es war ein verwirrender Auftritt. Die Aussage der Zeugin | |
Sabine M. im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) in München warf | |
mehr Fragen auf, als welche zu klären. | |
Die 44-jährige Frührentnerin war Abdurrahim Özüdoğrus Nachbarin – des | |
zweiten mutmaßlichen Opfers des Trios aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und | |
Beate Zschäpe. Als Özüdoğru am 13. Juni 2001 in seiner Änderungsschneiderei | |
im Süden von Nürnberg erschossen wurde, will Sabine M. zwei Schüsse gehört | |
haben. Ihre damalige Wohnung lag nach eigenen Angaben direkt gegenüber der | |
Werkstatt. | |
„Ich konnte von meinem Wohnzimmerfenster aus genau rein sehen“, sagte M. am | |
Montagnachmittag vor Gericht. In diesem Punkt deckte sich die Aussage der | |
Frau mit den Aussagen aus früheren Vernehmungen durch die Polizei. Danach | |
verstrickte sich die Frau in Widersprüche. Als sie schließlich von einer | |
Nebenklägerin gefragt wird, ob sie Angst habe, vor Gericht auszusagen, sagt | |
sie „ja“. Sie traue sich nicht, gibt sie mit weinerlicher Stimme zu. „Auch | |
wenn das für eine erwachsene Frau komisch klingt.“ Daraufhin unterbrach der | |
Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Sitzung. | |
Zuvor hatte die Nachbarin angegeben, die Leiche des Schneiders in seinem | |
Atelier liegen gesehen zu haben – obwohl sie das zuvor in keiner Befragung | |
durch die Polizei erwähnt hatte. Immer wieder wird sie danach befragt und | |
von einem der Anwälte der Nebenklage darauf hingewiesen, dass die Werkstatt | |
von ihrem Fenster aus nicht einsehbar sei. „Ich schwöre es ihnen“, sagt sie | |
immer wieder. „Ich habe die Leiche liegen sehen.“ | |
Auch zwei Männer will Sabine M. von ihrem Fenster aus beobachtet haben. | |
Einer sei nach den Schüssen aus der Werkstatt gekommen. An die genaue | |
Uhrzeit kann sie sich indes nicht erinnern. Die Polizei hat sie damals | |
offenkundig nicht gerufen. Denn die wurde erst in den Abendstunden von | |
einem Passanten verständigt. | |
## „Dass mich jemand wegmacht“ | |
Schließlich berichtet die Zeugin, die beiden Männer einige Tage zuvor schon | |
einmal vor ihrem Haus gesehen zu haben. Auch eine blonde Frau sei damals | |
dabei gewesen, wie sie sagt. Doch auch diese Aussage findet sich in | |
früheren Vernehmungsprotokollen nicht wieder. Im Gegenteil: Damals hatte M. | |
angegeben, sie habe das Opfer mit zwei russisch aussehenden Männern im | |
Streit beobachtet. Insgesamt eine wenig schlüssige Zeugenaussage könnte man | |
denken – wäre da nicht die von der Frau geäußerte Furcht. | |
Nach einer kurzen Pause ruft Richter Götzl Sabine M. ein zweites Mal in den | |
Zeugenstand. „Was befürchten Sie?“, will Götzl wissen. „Dass mich jemand | |
wegmacht“, antwortet M. „Ich bin allein, mein Mann ist ständig im Ausland | |
beim Arbeiten.“ Das Gericht muss nun beraten, ob die Frau ein weiteres Mal | |
in den Zeugenstand berufen werden soll – und ob ihr dann ein Rechtsanwalt | |
als Beistand zur Seite stehen soll. Ob ihre Aussage dann tragfähig sein | |
wird, ist fraglich. | |
In Kooperation mit [1][Radio Lora München]. | |
24 Jun 2013 | |
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## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
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