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# taz.de -- NSU-Anschlag in Köln: Bilder, die keiner sehen wollte
> Böhnhardt und Mundlos zündeten eine Bombe und wurden dabei gefilmt. Die
> Videos der Tat wurden nicht vollständig ausgewertet und Zeugen womöglich
> nicht befragt.
Bild: 2004: NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße.
MÜNCHEN taz | Videoaufnahmen von Überwachungskameras zeigen Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt beim Platzieren der Nagelbombe in der Kölner Keupstraße 2004.
„Das Videomaterial wurde nur lückenhaft beachtet, es muss in Gänze
betrachtet werden“, sagt Rechtsanwalt Yavuz Selim Narin, der die Familie
des NSU-Opfers Theodoros Boulgarides im Prozess vor dem Oberlandesgericht
in München vertritt. Am Montag wird der NSU-Prozess in München fortgesetzt,
die Anwälte der Familie wollen einen entsprechenden Antrag vorlegen.
Beim stundenlangen Sichten von Material hatte Narin beim Bundeskriminalamt
(BKA) die vollständigen Videoaufzeichnungen entdeckt. Dort in den Akten lag
das Bildmaterial von Überwachungskameras des Musiksenders Viva, der damals
in der Nähe des Tatorts ansässig war: Auf sechs Videokassetten soll das
Geschehen vom 9. Juni 2004 festgehalten sein, zudem auf sieben Festplatten.
Rechtsanwalt Narin kritisiert, dass das Bildmaterial nicht vollständig
ausgewertet wurde.
Im Juni 2004 wurden Mundlos und Böhnhardt fünfmal von zwei Kameras des
Musiksenders aufgenommen. Das Video zeigt das Vorgehen der Täter im Detail.
Ab 14.18 Uhr sind die beiden in den Aufnahmen zu sehen. Um 15.10 Uhr
passiert Mundlos, ein Damenrad schiebend, den Eingang von Viva Richtung
Keupstraße. Auf dem Gepäckträger des Rads befindet sich eine
Hartschalenkoffer, in dem die Nagelbombe versteckt ist. Vor dem
Friseursalon Öczan stellte Mundlos das Fahrrad ab. Zuvor ist Böhnhardt zu
sehen, wie er zwei Mountainbikes durch die Straße schiebt – die Fahrräder,
mit denen die beiden nach der Zündung der Bombe flüchteten.
Gegen 15.50 Uhr sind beide wieder auf der Straße mit den Fahrrädern zu
sehen. Sechs Minuten später zündeten sie die mit mindestes 5,5 Kilogramm
Schwarzpulver und über 700 Zimmermannsnägeln bestückte Bombe per
Fernsteuerung. Bei dem Anschlag wurden 22 Menschen teilweise schwer
verletzt. Um 15.57 Uhr ist einer der beiden erneut zu sehen. Er passiert
den Eingang des Musiksenders und fährt dann schnell weg.
## Schilys Fehleinschätzung
Der Ort des Anschlags ist eine Straße mit vielen türkischen Geschäften.
Dies hätte die Ermittler bewegen können, von einem rassistischen
Tathintergrund auszugehen, sagten damals schon Betroffene. Doch bereits
nach einem Tag meinte die Staatsanwaltschaft zu wissen, dass es „keine
Hinweise auf eine terroristische Lage“ gebe. Der damalige
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte damals ebenso schnell, dass die
Erkenntnisse auf den Hintergrund eines „kriminellen Milieus“ hinweisen
würden. 2013 entschuldigte er sich bei seiner Vernehmung im
NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags für diese Fehleinschätzung.
Auch den Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag lagen
bisher nur Teile des vorhandenen Videomaterials vor. Der Ausschuss hat nun
den Generalbundesanwalt schriftlich aufgefordert, das gesamte Material zu
übermitteln. Dem Ausschuss und den Anwälten der NSU-Opfer liegen zudem
bisher keine Aussagen von Zeugen vor, die auf den Videos zu sehen sind.
Mithilfe des Antrags hofft Narin, bislang nicht vernommene Zeugen im
Verfahren befragen zu können.
23 Jun 2013
## AUTOREN
Andreas Speit
Marlene Halser
## TAGS
Nagelbombe
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Köln
Uwe Mundlos
Uwe Böhnhardt
Schwerpunkt Rechter Terror
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Carsten S.
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