# taz.de -- Nach Protesten in China: Bau von Atomanlage gestoppt | |
> Die Behörden in Südchina verwerfen den Plan zum Bau einer | |
> Urananreicherungsanlage. Die Regierung hält an ihren ehrgeizigen | |
> Atomplänen fest. | |
Bild: Protestaktion in Jiangmen gegen die Uranaufbereitungsanlage in Heshan | |
PEKING taz | Wenn schon keine Wahlen möglich sind, dann gibt es Protest. | |
Den sieht das autoritäre System in China zwar auch nicht vor. Und wer als | |
Rädelsführer verdächtigt wird, dem winken zuweilen harte Strafen. Wirkung | |
zeigen Proteste in der Volksrepublik aber dennoch. | |
In der südchinesischen Ortschaft Jiangmen in der Provinz Guangdong haben | |
Bürgerproteste am Wochenende erfolgreich den Bau einer Atomanlage gestoppt. | |
„Aus Respekt vor dem Willen des Volkes“ habe sich die Regierung zum Abbruch | |
des Projektes entschieden, heißt es in einer Mitteilung auf der Webseite | |
der für Jiangmen zuständigen Stadtverwaltung von Heshan von Samstagabend. | |
Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua waren am Tag zuvor | |
rund 1.000 Menschen auf die Straßen von Jiangmen gezogen. Bilder von | |
Mikrobloggern im Internet zeigen wütende Demonstranten. Sie tragen Banner | |
und Schilder unter anderem mit der Aufschrift: „Stoppt Atom“ und „Wir | |
wollen Kinder, kein Atom“. | |
Die staatliche Atombehörde CNNC wollte in Jiangmen, rund 100 Kilometer von | |
der Hafen- und Finanzmetropole Hongkong entfernt, für umgerechnet rund 4,6 | |
Milliarden Euro eine Urananreicherungsanlage errichten. Diese sollte | |
jährlich rund 1.000 Tonnen Uran produzieren und damit etwa die Hälfte des | |
Bedarfs aller chinesischen Atomkraftwerke abdecken. | |
Trotz der Atomkatastrophe von 2011 im japanischen Fukushima hält Chinas | |
Führung an ihrem ehrgeizigen Nuklearprogramm fest. Bis 2020 will sie zu den | |
bereits bestehenden 16 Atomanlagen mindestens 40 weitere Anlagen errichten. | |
Es handelt sich um das derzeit größte Atomprogramm der Welt. | |
## Einladung zum „Spaziergang“ | |
Zu der Demonstration hatten sich die Teilnehmer kurzfristig über soziale | |
Netzwerke im Internet verabredet. Um im Vorfeld nicht den Verdacht der | |
Zensurbehörden auf sich zu lenken, riefen die Initiatoren offiziell „zu | |
einem Spaziergang“ auf. Bereits am frühen Freitagmorgen versammelten sich | |
mehrere hundert Menschen vor dem Rathaus von Heshan. Binnen weniger Minuten | |
schwoll die Menge auf über 1.000 an, berichtet ein Teilnehmer über den | |
chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo. | |
Dass die Behörden so unmittelbar auf den Protest reagieren und ihre Pläne | |
zurück ziehen, hängt mit der derzeit allgemein angespannten Stimmung im | |
Land zusammen. Chinas bislang so dynamische Wirtschaft lahmt, die Exporte | |
gehen zurück. | |
Die Südprovinz Guangdong, wegen ihrer vielen Fabriken auch bekannt als | |
„Werkbank der Welt“, leidet derzeit besonders stark unter den | |
Wachstumseinbrüchen und die Behörden befürchten, jeglicher Unmut könnte | |
gleich zum Massenprotest ausufern. „Die Stimmung ist sehr gereizt“, sagt | |
der Ökonom Mao Yanhua von der Sun Yat-Sen Universität in Guangzhou. | |
## Nur ein Einzelfall | |
Allerdings sind auch die Pläne über die Urananreicherungsanlage erst sehr | |
kurzfristig bekannt geworden. Die Lokalregierung hatte die Öffentlichkeit | |
erst am 4. Juni informiert und eine zehntägige Einspruchsfrist eingeräumt. | |
Für Großprojekte dieser Art gibt es auch in China eine Anhörungspflicht und | |
die Bürger können dem Vorhaben widersprechen. Die Eile der Demonstranten | |
war also geboten. | |
Ein Hinweis auf eine allgemein atomkritische Haltung im Land dürfte der | |
Protest von Jiangmen aber nicht sein. In China ist es in den vergangenen | |
Jahren zwar mehrmals zu Protesten gekommen, die den Bau mehrerer Metall- | |
und Chemiewerke stoppten. | |
Beobachter werten diese Proteste als Zeichen für wachsendes Umweltbewusstse | |
in der Bevölkerung. Das Bewusstsein der Gefahren von Atomkraft ist nach | |
Einschätzung von Soziologen in China bislang aber nur gering ausgeprägt. | |
15 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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