# taz.de -- Chinas Energiepolitik: Atomkraft statt Kohlesmog | |
> Zwei Jahre nach Fukushima setzt kein Land so sehr auf den Ausbau der | |
> Atomenergie wie das Kohleland China. Bis 2020 sollen 60 neue AKW | |
> errichtet werden. | |
Bild: Sitzt im Smog: Pekinger Plastikpandapärchen | |
PEKING taz | Die Aufregung vor zwei Jahren war groß: In vielen Teilen | |
Chinas war in den Supermärkten das Salz ausverkauft. Denn es hatte sich | |
herumgesprochen, Salz könne vor radioaktiven Strahlen schützen – was sich | |
schnell als falsch herausstellte. Aber diese Panikkäufe machten der | |
chinesischen Regierung deutlich: Sie kann die Atomkatastrophe von Fukushima | |
im benachbarten Japan nicht ignorieren. Wie die meisten Staaten setzte auch | |
China den Weiterbau seiner Atomkraftwerke vorübergehend aus. | |
Von dieser atomkritischen Haltung ist heute in der zweitgrößten | |
Volkswirtschaft der Welt nur noch wenig vorhanden. Im vergangenen Herbst | |
hob die chinesische Regierung den Baustopp auf. Mitte Februar ging mit | |
Hongyanhe in der nordöstlichen Provinz Liaoning auch schon der erste neue | |
Meiler ans Netz. Und der ist erst der Anfang. | |
Nach derzeitigem Stand will Chinas Führung bis 2020 mindestens 60 neue | |
Anlagen errichten, 26 davon sind bereits im Bau. Inklusive dem neuen Meiler | |
in Liaoning sind derzeit 16 Anlagen in Betrieb mit einer Kapazität von 12 | |
Gigawatt. Bis 2020 soll sich dieser Wert verfünffachen. | |
Chinas Rückkehr zur Atomkraft ist nicht allein einer einseitigen | |
Technikgläubigkeit geschuldet. Tatsächlich steht die Volksrepublik vor | |
einem Dilemma. 80 Prozent der produzierten Elektrizität stammt aus Kohle. | |
Mit rund 3,9 Milliarden Tonnen im Jahr verbrauchen die Chinesen inzwischen | |
fast so viel Kohle wie der gesamte Rest der Welt. | |
## Smog über Chinas Städten | |
Die Folgen sind längst unverkennbar. Mehrere Millionenstädte waren in den | |
vergangenen Wochen unter einer dicken Smogdecke versunken. Die | |
Feinstaubwerte lagen an einigen Tagen über dem 30-fachen des Wertes, den | |
die Weltgesundheitsorganisation für unbedenklich hält. | |
Dabei investiert Peking auch kräftig in erneuerbare Energien. Einer Studie | |
des Analysedienstes Bloomberg New Energy Finance (BNEF) zufolge kam 2012 | |
jede dritte neue Windkraftanlage der Welt aus der Volksrepublik. China ist | |
damit das vierte Jahr in Folge Spitzenreiter beim Ausbau von Windkraft. | |
Auch beim Ausbau der Solarenergie ist China ganz vorne mit dabei. | |
Doch der Energiehunger der insgesamt 1,3 Milliarden Chinesen ist | |
gigantisch: Angesichts des anhaltend hohen Wirtschaftswachstums und auch | |
der gezielten Armutsbekämpfung wird der Bedarf in den nächsten Jahren noch | |
steigen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) ist der | |
Energieverbrauch Chinas im Vergleich zu den anderen Ländern schon jetzt der | |
höchste der Welt. Bis 2030 werde der Verbrauch um 60 Prozent höher liegen | |
als in den USA und doppelt so hoch sein wie in der EU, so die Prognosen. | |
## Atomstromanteil unter Durchschnitt | |
„Wir müssen die Sicherheitsstandards bei Atomkraftwerken erhöhen“, forder… | |
vergangene Woche vor Beginn des Nationalen Volkskongresses Zhu Zhiyuan von | |
der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, einem der wichtigsten | |
Thinktanks von Chinas Führung. Die Atomenergie an sich zweifelt aber auch | |
er nicht an. Zhu verweist darauf, dass der Anteil von nuklearer Energie in | |
China derzeit nur bei 1,8 Prozent liegt und selbst nach Umsetzung der Pläne | |
2020 auf gerade einmal 5 Prozent ansteigt. Der weltweite Durchschnitt liege | |
dagegen bei 14 Prozent. | |
Doch die Chinesen setzen bei der Atomkraft nicht nur auf den eigenen | |
Bedarf. Sie wollen ihre Atomtechnologie auch exportieren. Sun Qin, | |
Vorsitzender der China National Nuclear Corporation, kündigte vor wenigen | |
Tagen an, dass noch in diesem Jahr ein Exportvertrag zum Bau eines von den | |
Chinesen entwickelten CAP-1400-Reaktors unterzeichnet werde. Um welches | |
Land es sich handelt, wollte er nicht verraten. Nur so viel: Die | |
Verhandlungen seien schon „sehr weit fortgeschritten“. | |
13 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Felix Lee | |
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