Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Peking im Smog: Das Leben muss weitergehen
> Chinas Hauptstadt erlebt die schlimmste Luftverschmutzung seit vielen
> Jahren. Die Behörden raten der Bevölkerung, das Haus besser nicht zu
> verlassen.
Bild: Smog in Peking: „Ist der Himmel auch wolkenverhangen, die Sonne ist tro…
PEKING taz | Wenn mitten im eisigen Winter plötzlich die Luft aus dem Süden
kommt und die Temperaturen leicht ansteigen, ist Wang Zhen alarmiert. Der
53-jährige Straßenhändler, der auf einer Fußgängerbrücke geröstete
Sonnenblumenkerne verkauft, weiß: Peking versinkt dann in dichtem Smog.
Doch so schlimm wie in diesen Tagen war es in der chinesischen Hauptstadt
seit Langem nicht mehr.
Die städtischen Behörden vermeldeten, dass die Feinstaubwerte am Wochenende
zeitweise bei über 700 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft lagen. Die
US-Botschaft in Chinas Hauptstadt, die eigene Untersuchungen vornimmt und
sie stündlich im Internet veröffentlicht, hat zwischendurch sogar 884
Mikrogramm gemessen. Ab 20 Mikrogramm Feinstaub ist die Gesundheit laut
Weltgesundheitsorganisation beeinträchtigt. Werte, die über 300 liegen,
gelten als gefährlich. Der offizielle Index der chinesischen Behörden
reicht nur bis zum Wert von 500.
Die Stadt Peking forderte ihre Bewohner auf, die Häuser nicht zu verlassen,
Fenster und Türen geschlossen zu halten und sich möglichst wenig körperlich
zu betätigen. Es sind die bislang höchsten Werte, seit sich die chinesische
Führung vor einem Jahr bereit erklärt hat, die Feinstaubwerte regelmäßig zu
veröffentlichen. In Sondersendungen im chinesischen Staatsfernsehen
erklärten Vertreter, der schwere Smog werde Peking auch in den kommenden
Tagen im Griff halten. Erst dann werde Nordwind die Dunstglocke wegblasen.
## Ein altes Problem
Luftverschmutzung ist in Peking seit vielen Jahren ein großes Problem.
Lange Zeit galten Kohleheizungen und die Schwerindustrie als Hauptgrund für
den Smog. Diese Zeiten sind vorbei. Bereits zu den Olympischen Spielen 2008
hat die Stadtverwaltung die übelsten Dreckschleudern aus der Stadt
verbannt. Und in den meisten Häusern wird nun elektrisch oder mit Gas
geheizt. Dafür ist aber die Zahl der Autos in die Höhe geschossen –
innerhalb von drei Jahren von drei auf über fünf Millionen. Trotz
Abgasnormen, die EU-Standards entsprechen, verpesten sie nun die Luft der
Stadt.
Zugleich ist Pekings schlechte Luft der geografischen Lage geschuldet. Im
Norden und Westen der Stadt verhindern hohe Berge, dass die Luft abzieht.
So lange, wie im Winter üblich, Nordwind herrscht, ist Pekings Luft klar.
Kommen die Luftmassen vom Süden, bleibt der Smog wie eine Glocke über der
Stadt hängen.
Schuld an den derzeitigen Extremwerten war denn auch ein Wetterwechsel
Mitte der Woche. Eine warme Luftschicht aus dem Südwesten trifft auf eine
bodennahe kalte Luftschicht und hüllt die Stadt in dichten Nebel. Dieser
Nebel hat sich jedoch nicht nur mit den Abgasen von Millionen von Autos
vermischt. Vor allem in den Provinzen Hebei und Shanxi konzentriert sich
inzwischen Chinas Schwerindustrie, Tausende von veralteten Kohlekraftwerken
blasen bei Südwestwind den Feinstaub in die Hauptstadt. Weil der Nordosten
Chinas momentan einen Rekordwinter mit Temperaturen von bis zu 30 Grad
minus erlebt, führt der zusätzliche Heizbedarf zu noch mehr Ausstoß.
## Umweltverschmutzung frisst Wirtschaftswachstum
Die Führung in Peking sieht nur wenig Handlungsbedarf. Sie hat zwar damit
begonnen, den hohen Energiebedarf des Landes zusätzlich mit Atomkraft, Gas
und Öl abzudecken. Doch solange sie an Wachstumsraten der Gesamtwirtschaft
zwischen 7 und 8 Prozent festhält, will sie weiter auf Energie aus Kohle
setzen. Dabei haben Berechnungen der staatseigenen Umweltbehörde Sepa
ergeben, dass die jährlichen Umweltschäden inzwischen bis zu 10 Prozent der
Wirtschaftsleistung ausmachen. Damit ist das Wachstum der Wirtschaft mehr
als futsch. Auch Fahrverbote in der Stadt kommen für die Regierung bislang
nicht infrage.
Trotz der extremen Luftverschmutzung – Händler Wang verkauft auf der Straße
weiter Sonnenblumenkerne. „Das Leben muss weitergehen“, sagt er. Zudem sei
Peking nicht einmal Chinas schmutzigste Stadt. Die Industriestadt
Shijiazhuang südwestlich der Hauptstadt hatte am Samstag zeitweise Werte
von über 1.000 Mikrogramm Feinstaub gemessen.
14 Jan 2013
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Umweltschäden
Smog
China
Schwerpunkt Atomkraft
China
Schwerpunkt Klimawandel
China
China
Peking
China
China
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tiersterben in China: Schweinerei im Huangpu-Fluss
Tausende von toten Schweinen schwimmen seit Tagen auf Shanghai zu. Die
Behörden rätseln über die Ursachen. Blogger vermuten den nächsten
Lebensmittelskandal.
Chinas Energiepolitik: Atomkraft statt Kohlesmog
Zwei Jahre nach Fukushima setzt kein Land so sehr auf den Ausbau der
Atomenergie wie das Kohleland China. Bis 2020 sollen 60 neue AKW errichtet
werden.
Gesundheitssystem in China: 25 Euro waren zu viel
7 Jahre lang hat eine Familie in China ihren Sohn mit einem selbst
gebastelten Atemgerät am Leben gehalten. Der Fall ist symptomatisch fürs
Gesundheitssystem.
Neue Klimakiller geplant: Die wilde Vierzehn
Ein Boom von Kohle und Ölprojekten droht den Klimawandel zu zementieren.
Greenpeace benennt weltweit 14 Großvorhaben, die das Zwei-Grad-Ziel
unterlaufen.
Folgen der Ein-Kind-Politik in China: Vergreisung und Arbeitermangel
Demografischer Wandel in China: Es gibt es immer weniger Menschen im
erwerbsfähigen Alter. Was bedeutet diese Entwicklung für den
Wirtschaftsboom?
Chinesische Klimaexpertin über Smog: „Noch 20 Jahre schlechte Luft“
Der Smog in Peking war so schlimm wie noch nie, sagt die Klima-Expertin
Zhou Rong. Verhindern lasse er sich kaum, schließlich müsse Chinas
Wirtschaft aufholen.
Luftverschmutzung in Peking: Mit Milch gegen den Krebs
Unser Autor lebt in Peking und bekommt gerade keine Luft mehr. Wie es sich
anfühlt, wenn man sich mitten im Smog nach frischem Wind sehnt.
Luftverschmutzung in Peking: Smog, soweit das Auge reicht
Noch nie war die Luftverschmutzung in Chinas Hauptstadt schlimmer. Die
Behörden rufen die 20 Millionen Einwohner auf das Haus nicht zu verlassen.
Sonst tun sie nicht viel.
Chinas neue Siebener-Bande: Xi Jinping an der Spitze
Der bisherige Vizepräsident Xi Jinping wird Chinas neuer Generalsekretär.
In seiner Führungsmannschaft werden künftig auch zwei Hardliner sitzen.
Großdemonstration in China: Protest gegen Petrochemie
Zehntausende demonstrieren in der Hafenstadt Ningbo gegen den Bau einer
Raffinerie. Bei der gewaltsamen Räumung kommt es zu Randale.
Kommentar Umweltproteste in China: Chinas Weg zur Zivilgesellschaft
Proteste wie die in Qidong werden für die chinesische Zentralregierung
immer schwieriger zu kontrollieren. Und sie machen landesweit Schule.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.