# taz.de -- Chinas neue Siebener-Bande: Xi Jinping an der Spitze | |
> Der bisherige Vizepräsident Xi Jinping wird Chinas neuer Generalsekretär. | |
> In seiner Führungsmannschaft werden künftig auch zwei Hardliner sitzen. | |
Bild: Neue Führung in China: Generalsekretär Xi Jinping (links) und die neuen… | |
PEKING taz | Er hat sich über Jahre hinweg politisch zurückgehalten, wollte | |
bloß nicht negativ auffallen, hat in alle Richtungen genetzwerkt – ohne | |
sich auf eine Fraktion festzulegen. Nun hat er es geschafft: Xi Jinping ist | |
seit gestern Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, damit Chef | |
der größten Organisation der Welt. Zugleich ist er auch Oberbefehlshaber | |
der Volksbefreiungsarmee geworden. Die Übernahme des Amtes als | |
Staatsoberhaupt im März ist nur noch reine Formsache. Der 59-Jährige ist | |
bereits mit dem gestrigen Tage der mächtigste Mann der Volksrepublik. | |
Chinas nur einmal in zehn Jahren vorgesehener Führungswechsel ist damit | |
vollzogen. | |
Angeblich hatte die Parteispitze auf dem 18. Parteitag bis zum Schluss | |
darum gerungen, wer Xi in den siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des | |
Politbüros folgen wird, dem eigentlichen Machtorgan in China. Reformer Li | |
Keqiang – als zweiter Mann und künftiger Premierminister – galt zwar als | |
gesetzt. Aber wer die anderen fünf Posten besetzen würde, blieb bis gestern | |
Morgen geheim. Alle möglichen Konstellationen kursierten bis zum Schluss | |
lediglich als Gerüchte durchs Netz. Als dann kurz vor zwölf Uhr Mittag, | |
rund eine dreiviertel Stunde später als angesetzt, Chinas neue Top 7 den | |
Nebensaal in der Großen Halle des Volkes betraten, ging denn auch ein | |
Raunen durch den Saal. Viele der rund 2.000 anwesenden chinesischen und | |
ausländischen Journalisten waren überrascht. | |
Anders als viele gehofft hatten, rücken mindestens zwei Hardliner in den | |
mächtigen Ständigen Ausschuss auf. Da ist zum einen Zhang Dejiang: Er hat | |
in Nordkorea studiert und gilt als ein Anhänger eines rigiden Staates. | |
Zudem versteht er sich als Sprachrohr der übermächtigen Staatsbetriebe. | |
Nach dem Skandal um den Polistar Bo Xilai wurde der 65-Jährige beauftragt, | |
mit der Korruption in der 30-Millionenstadt Chongqing aufzuräumen. Das hat | |
er auch getan – angeblich zum Teil über seine Befugnisse hinaus. | |
Zum anderen rückt Liu Yunshan vor, ebenfalls ein Konservativer. Er war fast | |
zehn Jahre Minister für Propaganda und ist unter anderem verantwortlich für | |
die „Große Firewall“, ein Filtersystem im chinesischen Internet, das | |
politisch missliebige Informationen sperrt und auch den freien Zugang in | |
soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder YouTube in China nicht | |
zulässt. Es ist zu befürchten, dass sich die Zensur im Netz mit Liu im | |
höchsten Gremimum noch mehr verschärfen wird. | |
## Reformer Wang chancenlos | |
Nicht in den mächtigen Ständigen Ausschuss schaffte es hingegen der große | |
Hoffnungsträger des Reformflügels, Wang Yang, lange Zeit Parteichef der | |
ökonomisch am meisten entwickelten Provinz Guangdong. Der 57-Jährige ist | |
landesweit bekannt geworden für seine Umwelt- und Sozialprojekte, die er in | |
Guangdong anstieß. Als vor einem Jahr in der Gemeinde Wukang Proteste gegen | |
korrupte Beamte ausbrachen, ließ er beschränkt auf diesen Ort demokratische | |
Wahlen zu. Genau dieser Schritt brachte ihm in Peking jedoch jede Menge | |
Kritik ein. Er sitzt jetzt zwar immerhin im 25-köpfigen Politbüro, ist aber | |
bei weitem nicht so mächtig wie seine beiden bereits beschriebenen | |
innerparteilichen Widersacher, die es in den Ständigen Ausschuss geschafft | |
haben. | |
Weniger umstritten und auch zum Lager der Reformer zählt Zhang Gaoli, der | |
als Parteichef der Hafenstadt Tianjin Fürsprecher einer Finanzmarkt- und | |
Wirtschaftsliberalisierung gilt. Und ebenfalls geschafft hat es Pekings | |
ehemaliger Bürgermeister Wang Qishan, auch er ein erfahrener Ökonom. Er | |
hatte auch mal die China Construction Bank geleitet, inzwischen eine der | |
größten Banken der Welt. Sowohl Zhang als auch Gao sollen die drängenden | |
wirtschaftlichen Probleme anpacken und sind wohl der Kompromiss für die | |
beiden Hardliner Liu Yunshan und Zhang Dejiang. | |
Yu Zhengsheng, das siebte Mitglied, zählt als Parteichef von Schanghai | |
eigentlich eher als Reformer. Er steht jedoch unter den Fittichen von | |
Alt-Staatsoberhaupt Jiang Zemin, der bis heute die Fäden zieht und an der | |
Zusammenstellung der neuen Führungsriege großen Anteil haben dürfte. Und | |
Jiang ist ein Hardliner. | |
Über Xi ist politisch nur wenig bekannt. Und auch in seiner kurzen | |
Ansprache gibt er nur wenig preis. Er prangert zwar wie schon sein | |
Vorgänger Hu Jintao vergangene Woche bei seiner Abschiedsrede die | |
Korruption in den eigenen Reihen an. In solchen Fällen werde die Regierung | |
künftig „hart durchgreifen“, betonte Xi. Ansonsten hält er sich bei | |
konkreten politischen Themen zurück, und preist stattdessen freudestrahlend | |
die Errungenschaften der Chinesen und der Kommunistischen Partei an. | |
Mehr politische Statements des neuen Machthabers wären zu diesem Zeitpunkt | |
vieleicht auch zu viel verlangt. Der Wechsel zu Xi stellt erst die zweite | |
geordnete Machübergabe in der Geschichte der Volksrepublik dar. Alle | |
anderen Wechsel erfolgten durch Tod oder brutaler Absetzung. | |
15 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
China | |
Xi Jinping | |
KP-Chef | |
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