| # taz.de -- Nach der UN-Rüge wegen Sarrazin: Ankündigen, prüfen, informieren | |
| > Die Bundesregierung will die Gesetze gegen rassistische Äußerungen | |
| > prüfen. Volker Beck von den Grünen kann das nicht ernst nehmen. Die | |
| > SPD-Spitze schweigt. | |
| Bild: Thilo Sarrazin. Die Leute lieben ihn. Nicht. | |
| BERLIN taz | Aus der SPD-Spitze gibt es keinen Kommentar. Auch auf | |
| mehrfache Anfrage der taz wollte sich Parteichef Sigmar Gabriel nicht | |
| äußern. Seit sein vollmundiger Versuch, den umstrittenen Genossen Thilo | |
| Sarrazin aus der SPD auszuschließen vor zwei Jahren schmachvoll scheiterte, | |
| ist ihm das Thema offensichtlich unangenehm. | |
| „Wer uns empfiehlt, diese Botschaft in unseren Reihen zu dulden, der | |
| fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht“, | |
| tönte Gabriel damals. Es kam bekanntlich anders. Doch die Debatte, wo die | |
| Grenze zwischen Polemik und rassistischer Hetze zu ziehen ist, geht weiter. | |
| Die Bundesregierung hat jetzt angekündigt, sie wolle prüfen, ob die | |
| deutschen Gesetze ausreichend Schutz gegen rassistische Äußerungen bieten. | |
| Sie reagierte damit auf eine Rüge des Antirassismus-Ausschusses der | |
| Vereinten Nationen. Dieser hatte im April moniert, dass die deutsche Justiz | |
| kein Verfahren gegen Thilo Sarrazin zugelassen hatte, obwohl es gegen den | |
| ehemaligen Bundesbank-Vorstand mehrere Klagen wegen Volksverhetzung gegeben | |
| hatte. | |
| Die Bundesregierung hatte eine 90-Tage-Frist Zeit, darauf zu antworten. Sie | |
| hat nun versprochen, die Justizorgane der Länder über die Rüge zu | |
| informieren und die Gesetzeslage zu überprüfen. | |
| Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) in Berlin mahnte an, es | |
| dabei nicht bewenden zu lassen. „Insbesondere gilt es, die Justiz für | |
| zeitgenössische Formen des Rassismus zu sensibilisieren“, erklärte dessen | |
| Direktorin Beate Rudolf. Bisher würden meist nur Rechtsextremisten wegen | |
| rassistischer Äußerungen verurteilt. Hetze aus der Mitte der Gesellschaft | |
| bleibe oft folgenlos. | |
| ## Reines Lippenbekenntnis | |
| Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hält die | |
| Ankündigung der Bundesregierung für ein reines Lippenbekenntnis. „Die | |
| Ankündigungspolitik der Bundesregierung ist in dem Fall so ernst zu nehmen | |
| wie Merkels Aufklärungsankündigungen im Geheimdienstskandal“, sagte Beck | |
| der taz. „Von einem Innenminister, die keine Gelegenheit auslässt, vor | |
| verfolgten Roma in Europa als Sozialschmarotzern zu warnen, erwarte ich mir | |
| keine ernsthafte Initiative gegen Rassismus.“ | |
| Aus der CDU heißt es, Fraktionschef Volker Kauder wolle das Thema nach der | |
| Wahl mit den rechtspolitischen Experten der Union besprechen. In der Partei | |
| der Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, dem | |
| Koalitionspartner FDP, sieht man „keinen Handlungsbedarf“, so deren | |
| integrationspolitischer Sprecher Serkan Tören: „Meinungsfreiheit ist ein | |
| wichtiges Gut, das nicht relativiert werden sollte, auch wenn uns bestimmte | |
| Meinungen nicht gefallen“, so der Politiker. „Es besteht die Gefahr, dass | |
| Themen tabuisiert werden. Besser ist es, sich den Themen offen zu stellen.“ | |
| Zurückhaltend äußerte sich auch der Deutsche Journalistenverband. „Ich | |
| persönlich finde Sarrazins Buch widerlich, halte die Gesetze in Deutschland | |
| aber für ausreichend“, sagte der DJV-Bundesvorsitzenden Michael Konken der | |
| taz. „Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Wo | |
| die Grenze zur Volksverhetzung verläuft, muss in jedem Einzelfall überprüft | |
| werden.“ | |
| Auch Volker Beck hält die Gesetze für ausreichend. Doch er fügt hinzu: „Ich | |
| schließe mich den Empfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte | |
| an, die eine bessere Ausbildung und Sensibilisierung von Polizei, | |
| Staatsanwaltschaften und Richtern fordern. Außerdem sind auch die Medien in | |
| der Pflicht, die zum einen keinen Vorabdruck im Print oder eine Einladung | |
| in Talkshows auslassen, um am nächsten Tag total überrascht und schockiert | |
| über Rassismus in Deutschland zu berichten.“ | |
| 17 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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