# taz.de -- Anzeige wegen Volksverhetzung: „Sarrazin soll vor Gericht" | |
> Der Berliner Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz will die Justiz mit | |
> zwingen, doch noch gegen Skandalautor Thilo Sarrazin vorzugehen. | |
Bild: Proteste gegen einen Sarrazin-Auftritt 2010 in Potsdam | |
taz: Herr Schultz, Sie wollen in dieser Woche gegen Thilo Sarrazin erneut | |
eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung stellen. Warum? | |
Hans-Eberhard Schultz: Weil sich die Umstände geändert haben. Der | |
Antirassismus-Ausschuss der UN in Genf hat die Bundesrepublik im April | |
dafür gerügt, dass die deutsche Justiz kein Verfahren gegen Herrn Sarrazin | |
zulassen wollte, obwohl es eine begründete Strafanzeige gab. Die | |
Bundesrepublik hat jetzt versprochen, die Justiz dafür zu sensibilisieren, | |
dass Sarrazin sich mit seinen rassistischen Thesen nicht auf die | |
Meinungsfreiheit berufen kann und der Rassismus nicht nur von notorischen | |
Neonazis und Rechtspopulisten ausgeht. Wir wollen jetzt die Probe aufs | |
Exempel machen. | |
Die Bundesregierung hat die Berliner Staatsanwaltschaft schon Anfang Juli | |
gebeten, sich den Fall noch einmal anzuschauen – aber die hat es abgelehnt, | |
ihn neu aufzurollen. Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass Sie jetzt mehr | |
Erfolg haben? | |
Da ging es nur um eine Anzeige wegen des Lettre-Interviews von Herrn | |
Sarrazin. Wir aber haben im August 2010 gegen die Veröffentlichung seines | |
Buchs „Deutschland schafft sich ab“ und die Vorabdrucke in der Presse | |
Strafanzeige gestellt. Das wurde damals mit Rekurs auf die Meinungsfreiheit | |
abgelehnt und mit der Begründung, dass der öffentliche Frieden durch das | |
Buch nicht gestört worden sei. In dieser Woche wollen wir einen Antrag | |
stellen, dass die Anzeige, die wir damals gestellt haben, erneut geprüft | |
werden muss. | |
Wiegt die Meinungsfreiheit nicht schwerer? | |
Nein, nicht bei rassistischer Diskriminierung. Das hat der UN-Ausschuss | |
jetzt eindeutig klar gestellt. Unsere Mandantinnen, die ehemalige | |
Migrantenbeauftragte von Berlin-Charlottenburg, Azize Gün-Tank, und ihre | |
Tochter Gabriele Gün-Tank, die jetzt Intergrationsbeauftragte in | |
Berlin-Schöneberg ist, haben damals, als das Buch erschien, eine Flut von | |
Hassmails erhalten – andere, die Sarrazin kritisiert haben, sogar | |
Todesdrohungen. Wir sind der Meinung, dass das Buch eine Grenze | |
überschritten und den öffentlichen Frieden durchaus gestört hat. | |
Wie hat die Justiz damals auf Ihre Anzeige reagiert? | |
Wir haben damals Beschwerde zum Generalstaatsanwalt eingereicht. Daraufhin | |
hat dieser uns sinngemäß mitgeteilt, wenn andere das Buch als Anlass für | |
unflätige Bemerkungen nehmen, dann könne dem Herrn Sarrazin das doch nicht | |
angelastet werden. Ich kann diese Argumentation nur als zynisch empfinden: | |
Hassmails und Todesdrohungen sind etwas anderes als bloß unflätige | |
Beschimpfungen. | |
Was für eine Strafe fordern Sie? | |
Auf Volksverhetzung stehen bei uns bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Und | |
bei Neonazis sind die Gerichte da oft nicht zimperlich. Aber uns geht es | |
erst einmal darum, dass unsere Anzeige überhaupt angenommen wird und sich | |
Herr Sarrazin vor Gericht verantworten muss – etwa zu der Frage, wie er zu | |
seinen Zahlen gekommen ist, von denen er selbst zugegeben hat, dass er sie | |
sich zum Teil einfach so gegriffen hat. Damit sich ein geistiger | |
Brandstifter wie er nicht so einfach aus der Verantwortung stehlen kann. | |
Und wenn sich die Staatsanwaltschaft wieder taub stellt? | |
Dann werden wir dagegen wieder Beschwerde einlegen – und zur Not bis vors | |
Verfassungsgericht ziehen. | |
31 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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