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# taz.de -- Sachbuch zur Integration: Auf Worte können Taten folgen
> Der Migrationsforscher Bade beklagt, Medien und Politik hätten aus den
> NSU-Morden und der Sarrazin-Debatte nichts gelernt. Das schade der
> Integration.
Bild: Klare Ansage gegen Rassismus: Graffiti im Görlitzer Park, Berlin-Kreuzbe…
Schon auf seiner Abschiedsfeier im vergangenen Jahr warnte Klaus Bade vor
dem „minderheitenfeindlichen Sumpf“, der den Zusammenhalt der Gesellschaft
bedrohe. Mehr als alles andere schade dieser der Integration von
Einwanderern. Für einen Migrationsforscher waren das ungewöhnliche Worte.
Vier Jahre lang lieh Bade dem „[1][Sachverständigenrat deutscher Stiftungen
Integration und Migration]“ (SVR) Gesicht und Stimme. Doch wer keine
Institution vertreten muss, der kann oft freier sprechen. In seinem Buch
„Kritik und Gewalt“ legt Bade deshalb nun nach.
Wie der Antisemitismusforscher Wolfgang [2][Benz] warnt auch Bade vor dem
populären antimuslimischen Ressentiment. In seinem 2012 erschienenen Buch
„[3][Die Feinde aus dem Morgenland]“ mahnte Benz, „wie die Angst vor den
Muslimen unsere Demokratie gefährdet“, so der Untertitel. Bade fürchtet
sich auch davor, dass das Ressentiment in Gewalt umschlägt.
Bade kritisiert, was er das „Agitationskartell“ hauptberuflicher
Islamkritiker nennt – vor allem Necla Kelek und Thilo Sarrazin, aber auch
Henryk Broder, Ralph Giordano und Alice Schwarzer zählt er dazu. Mit ihrer
Verdachtsrhetorik lieferten sie die Stichworte, so Bade, die von Hass-Blogs
im Internet begierig aufgegriffen und mit unverhohlenen Gewaltfantasien
verbunden werden.
## Im Auge des Schitstorms
Bade spricht aus eigener Erfahrung: 2011 hatte Necla Kelek den Vorsitzenden
des unabhängigen Stiftungsrats im FAZ-Feuilleton mit dem „Generalsekretär“
eines Politbüros [4][verglichen]. Sarrazin brachte an gleicher Stelle sogar
NS-Vergleiche ins Spiel („Reichsfunk“, „Integrationskraftzersetzer“).
Daraufhin wurde Bade im Internet so brachial angegangen, dass er seine
öffentlichen Auftritte nur noch mit Saal- und Personenschutz absolvieren
konnte. Ähnlich erging es zuvor auch anderen Wissenschaftlern wie dem
Erlanger Juristen Matthias Rohe, der Soziologin Naika Foroutan und auch
Wolfgang Benz. Wer den militanten Islamfeinden nicht passt, wird öffentlich
niedergemacht.
Nun ist ein Shitstorm im Netz noch keine nackte Gewalt, eine Verhöhnung im
Feuilleton vernichtet noch keine bürgerliche Existenz. Aber verharmlosen
sollte man sie auch nicht, findet Bade. „Aus Worten können Taten werden“,
zitiert er die Mahnung von Angela Merkel im Februar 2011 bei der
[5][//:Trauerfeier] für die Opfer der NSU-Mordserie. Bade findet, die
Brisanz der antimuslimischen Agitation werde verkannt, und verweist auf das
Breivik-Massaker in Norwegen und den Mord an der Ägypterin Marwa
El-[6][//:Sherbini] in Dresden, um deren Gefahren deutlich zu machen. Nur
am Rande geht er aber darauf ein, dass gerade die NSU-Terroristen eine
klassisch rechtsextreme Gesinnung leitete.
Bade kritisiert, dass radikale minderheiten- und damit
verfassungsfeindliche Blogs wie PI News vom Verfassungsschutz weiter
ignoriert werden, und findet, Razzien gegen Nazis und ein paar Reparaturen
am Verfassungsschutz seien nicht genug.
Mit Blick auf die NSU-Morde fordert er eine Debatte um die „neue kollektive
Identität in der Einwanderungsgesellschaft“, wie es sie in Norwegen nach
den Breivik-Morden gab, als sich das Land emphatisch zu Liberalismus und
Multikulturalität bekannte. So etwas stehe hier noch aus. Vielleicht, so
Bade, brauche es „Integrationskurse für alle“, also auch für Deutsche ohne
Migrationshintergrund.
Klaus Bade: „Kritik und Gewalt“. Wochenschau Verlag, Schwalbach 2013, 398
Seiten, 22 Euro
14 Apr 2013
## LINKS
[1] http://www.svr-migration.de/content/
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Benz
[3] http://www.chbeck.de/Benz-Feinde-Morgenland/productview.aspx?product=102992…
[4] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/2.1763/migrationsforschung-p…
[5] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
[6] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Integration
Migration
Integration
Schwerpunkt Volker Beck
Islam
Sarrazin
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