# taz.de -- Duisburger Bürgermeister über Roma: „Wir sind völlig überford… | |
> Roma aus Südosteuropa fliehen vor der Armut. Auch nach Duisburg. | |
> Stadtdirektor Reinhold Spaniel verteidigt die Bürgerproteste gegen die | |
> Einwanderer. | |
Bild: Eines der von Roma bewohnten „Problemhäuser“ in Duisburg. | |
taz: Herr Spaniel, seit über einem Jahr protestieren Duisburger Bürger | |
gegen den Zuzug von Roma. Wird die Einwandererstadt Duisburg rassistisch? | |
Reinhold Spaniel: Nein! Die Bürger haben viel erduldet – und reagieren | |
trotzdem besonnen. Da gibt es kein rechtsextremes Gedankengut. | |
Sie sehen Roma, aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger, als | |
Zumutung? | |
Das Sozialverhalten vieler ist eine Zumutung. Das fängt beim Lärm an – auf | |
der Straße wird bis um drei Uhr morgens Party gemacht. Die Gärten der | |
Anwohner werden zugemüllt, die Straße wird als Toilette benutzt. Da ist es | |
doch völlig legitim, dass sich die Bürger beschweren! | |
Und das rechtfertigt Aufrufe zu Anschlägen im Internet? | |
Natürlich nicht. Das Internet ist nicht die reale Welt. In der ist die | |
Situation am vergangenen Freitag zum ersten Mal eskaliert: Eine von Bürgern | |
organisierte Informationsveranstaltung ist von Linksautonomen gesprengt | |
worden, es gab Verletzte … | |
… die angeblich Linksautonomen waren Teil einer Nachtwache, mit der | |
Menschen Roma vor Anschlägen schützen wollten. Sie behaupten, Neonazis | |
hätten sie angegriffen … | |
Natürlich versucht die rechte Szene, die Stimmung auszunutzen. Nicht | |
umsonst wollen die Rechtsextremisten von „Pro Deutschland“ heute in der | |
Straße In den Peschen, wo besonders viele Roma leben, aufmarschieren. Als | |
Stadt rufen wir natürlich zur Teilnahme an der Gegendemonstration auf. | |
Aber: Vor Ort gibt es sozialen Sprengstoff – und seit Neuestem einen | |
Krawalltourismus von rechts und auch von links. Deshalb ist die Polizei vor | |
Ort, wenn auch nicht immer sichtbar, mit einem Streifenwagen. | |
Grund für Lärm und Müll ist doch, dass dort über 1.000 Menschen in nur 74 | |
Wohnungen zusammengepfercht leben. Warum lassen Sie das zu? | |
Wir als Stadt pferchen niemanden zusammen. Die Wohnblöcke gehören einem | |
Privatmann – und der vermietet an Menschen, die froh sind, wenn sie dort | |
auf einer Matratze schlafen können. Das ist offenbar immer noch besser als | |
die schreckliche Armut, vor der sie geflohen sind. | |
Der Vermieter ist Rocker, eine Rotlichtgröße. Warum helfen Sie den Roma | |
nicht? | |
Das versuchen wir doch! Bisher konnten wir als Wohnungsaufsicht kaum | |
einschreiten. Jetzt will die Landesregierung ein Gesetz verabschieden, das | |
Fragen wie Überbelegung, sanitäre Grundversorgung, Stromversorgung klärt. | |
Außerdem verhandeln wir mit dem Vermieter, um die Wohnungen leerzuziehen. | |
Wir wollen besonders Familien mit Kindern anders unterbringen. | |
Voraussetzung ist aber, dass sie mietfähig sind. | |
Mietfähig? | |
Ja. In Duisburg gibt es viele Schrottimmobilien, die ziehen | |
Armutsflüchtlinge an. Die sind oft Analphabeten, die verstehen unsere | |
ganzen Vorschriften nicht und müssen lernen, dass man den Müll nicht aus | |
dem Fenster wirft. Wenn das nicht gesichert ist, gehen die restlichen | |
Hausbewohner auf die Barrikaden. | |
Viele Kinder gehen nicht zur Schule, sind nicht krankenversichert. | |
In den vergangenen Jahren sind über 8.000 Menschen aus Südosteuropa nach | |
Duisburg gezogen. Wir sind völlig überfordert. Jedes Jahr geben wir für | |
Integrationsmaßnahmen wie Vorbereitungsklassen, Kita-Gruppen, | |
Sprachförderung, bessere Wohnungen über eine Million Euro aus – dabei ist | |
Duisburg mit mehr als 2 Milliarden Euro verschuldet. | |
29 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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