# taz.de -- Syrer an der Grenze zum Libanon: Auf der Flucht nach Beirut | |
> Aus Angst vor Assads Rache, gewalttätigen Rebellen und einem möglichen | |
> US-Angriff reisen viele Syrer in den Libanon aus. Ein Besuch an der | |
> Grenze. | |
Bild: Syrische Flüchtlinge im Libanon. | |
BEIRUT taz | Am Sonntag zweifelte am Hauptgrenzübergang zwischen dem | |
Libanon und Syrien kaum jemand mehr daran, dass ein US-Militärschlag gegen | |
Syrien eine ausgemachte Sache ist. Trotzdem war dort kein Exodus | |
auszumachen, eher ein normaler Grenzverkehr. | |
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Donnerstag war die Zahl | |
der syrischen Flüchtlinge zuvor jedoch stark angestiegen. Statt 703.000 | |
befänden sich jetzt bereits 716.284 Syrer im flächenmäßig kleineren | |
Nachbarland. | |
Manche übervollen Dachgepäckträger an der Grenze erwecken denn auch nicht | |
den Eindruck, die Insassen seien für einen Tagesausflug in den Libanon | |
unterwegs. „Wir kommen aus Damaskus und wollen einfach nur ein paar | |
Verwandte besuchen. Mit den US-Drohungen hat das nichts zu tun“, erklärt | |
einer der Reisenden, der in seinem voll gepackten Kleinbus seine ganze | |
Familie mitgebracht hat. | |
Viele hier haben Angst, mit Journalisten zu reden oder ihre Namen | |
anzugeben, weil sie fürchten, das könne sich negativ auf die | |
Zurückgebliebenen in Syrien auswirken. Eine Gruppe von Frauen ist | |
gesprächiger. „Wir hoffen, dass der Militärangriff der Amerikaner kein | |
leeres Gerede bleibt und dass die Rebellen daraus Nutzen ziehen können“, | |
sagt eine von ihnen. Andere versuchen sie zum Schweigen zu bringen. Sie | |
kommen aus einem der Vororte von Damaskus, die als Hochburgen der Rebellen | |
bekannt sind. | |
Ganz anders hört sich eine Frau an, die mit ihrem Mann und ihrer | |
19-jährigen Tochter direkt aus Damaskus gekommen ist. Die Gruppe hat in | |
einem Café am Straßenrand eine kurze Pause eingelegt, bevor es weiter nach | |
Beirut geht. Sie hätten einfach beschlossen, ein paar Tage Damaskus zu | |
verlassen, bis es klarer wird, wie es dort weitergeht. Die Familie | |
unterstützt das Regime. „Wir haben weniger Angst vor US-Militärschlägen als | |
vielmehr davor, was hinterher geschieht“, sagt die Frau. | |
## Albtraumszenario | |
Sie fürchtet, dass sich das militärische Gleichgewicht im Sinne der | |
Rebellen verändern könnte. „Dann kommen diese irren militanten Islamisten | |
von der Al-Nusra-Front in unser Haus und schneiden uns die Kehlen durch“, | |
beschreibt sie ihr Albtraumszenario. Auch sie will ihren Namen nicht | |
angeben. Das ist neu, dass Regimebefürworter vor der Presse anonym bleiben | |
wollen. Ein Zeichen dafür, wie unsicher es für alle Seiten geworden sind. | |
Ein paar Kilometer die Straße in Richtung Beirut befindet sich ein kleines | |
Zeltlager, das erst vor Kurzem hier entstanden ist. In mehreren Dutzend | |
Zelten zeigt sich die Armut vieler der syrischen Flüchtlinge. Die meisten | |
versuchen sich als Tagelöhner bei der Ernte in den umliegenden Feldern | |
durchzuschlagen. Hassan ist mit seiner 15-köpfigen Familie vor vier Monaten | |
hierhergekommen, aus dem syrischen Rakka. Er sei weder für Regierung noch | |
für die Rebellen, sagt Hassan und erzählt, wie die Männer der | |
Al-Nusra-Front über Nacht in sein Dorf gekommen waren. | |
Viele waren keine Syrer, die meisten kamen aus anderen arabischen Ländern, | |
manche sprachen gar kein Arabisch. Von seinem Bauernhof aus hätten die | |
Kämpfer den nahen vom Regime kontrollierten Flughafen beschossen. Die | |
Antwort von dort kam prompt. Hassans Haus steht nicht mehr. Er ist | |
skeptisch, was einen US-Militärschlag gegen das Regime betrifft. „Das | |
letzte Mal haben die Amerikaner militärisch im Irak interveniert, und wir | |
alle wissen, was heute aus dem Land geworden ist“, sagt er und fügt hinzu: | |
„Wenn das wieder so läuft, kommen wir nie wieder nach Hause“. | |
## Ein inneres Gleichgewicht herstellen | |
Für den prominenten libanesischen Journalisten Amin Kammouriya geht es den | |
Amerikanern vor allem darum, das innere Gleichgewicht in Syrien | |
herzustellen, aus dem keine Seite als Gewinner hervorgeht. „Für die USA | |
geht es nicht darum, das Regime in Damaskus zu stürzen, man möchte es | |
schwächen, damit es an den Verhandlungstisch kommt, analysiert er. | |
Militärisch sei das Regime zu schwach, um den USA direkt zu antworten oder | |
auch um Israel anzugreifen, ist er sich sicher. Das widerspräche der | |
Prämisse des Regimes, sein eigenes Überleben zu sichern. Aber das syrische | |
Regime könnte versuchen, mit Stellvertretern, wie der mit ihm verbündeten | |
libanesischen Hisbollah, eine Antwort zu finden. „Sie werden in Syrien | |
zuschlagen, aber der Rauch könnte in Beirut aufsteigen“, glaubt Kammouriya. | |
2 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
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