# taz.de -- Binnenflüchtlinge in Syrien: Die ausgebuchten Elendshotels | |
> Mehr als vier Millionen Syrer sind zu Flüchtlingen im eigenen Land | |
> geworden. In der Hauptstadt wohnen sie in überfüllten Hotelräumen oder | |
> auf der Straße. | |
Bild: Damaskus: Flucht in eine zerstörte Stadt | |
DAMASKUS taz | Noch weit nach Mitternacht staut sich die Hitze in den | |
Straßen des Quartiers in Al-Mardscheh im Zentrum von Damaskus. Es riecht | |
nach Bratfett, Wasserpfeifenrauch und nach der Fäule der seit Tagen nicht | |
abgeholten Müllsäcke. Straßenimbisse stehen vor schmutzigen Hoteleingängen. | |
Die Zimmer dieser Hotels, von denen sich hier eines an das andere reiht, | |
sehen aus wie Gefängniszellen und kosten für die meisten Flüchtlinge doch | |
ein kleines Vermögen. Und trotzdem ist kein einziges Zimmer frei. | |
Wer keinen Raum bekommen hat, schläft in Pappkartons auf der Straße. An | |
jeder Ecke fragen Bettler nach Münzen, flehen Kinder um Brot oder ein | |
Minzkaugummi, das vom Hunger ablenkt. Die Kinder kommen aus Aleppo, Daraa, | |
Homs, Deir al-Sur oder al-Rakka und erzählen, dass ihre Eltern bei | |
Angriffen umgekommen seien. | |
An einer spärlich beleuchteten Straßenecke schlafen auf dem Steinboden vor | |
den heruntergelassenen Metalllamellen eines Ladenlokals zwei Kleinkinder, | |
der Junge höchstens ein Jahr alt, das Mädchen vielleicht zwei. Die Eltern | |
sind nicht zu sehen. Nach einer Stunde liegen die Kleinkinder noch immer | |
unbeaufsichtigt dort. Der Koch eines Imbissstands vermutet, dass die Eltern | |
gerade in einem anderen Viertel betteln gehen. | |
Das Ausmaß der Armut ist ein Novum in Damaskus. Es gab zwar immer eine im | |
Vergleich zu der Mittelschicht in den Städten ärmere Landbevölkerung, doch | |
die hatte ihre Häuser, in denen sie schliefen, und ihre Felder, mit denen | |
sie sich selbst versorgen konnten. Doch nun sind Millionen Menschen auf der | |
Flucht. Die meisten von ihnen sind nach Damaskus gekommen. Die | |
Infrastruktur dieser Millionenstadt ist dafür nicht ausgelegt. Die Behörden | |
sind überfordert. Hilfskomitees verfügen nicht über ausreichende Güter und | |
Spenden, um alle Flüchtlinge in ihren Vierteln versorgen zu können. | |
## Zu viert im Zimmer | |
Eine Nacht in Zimmer 10 des Al-Rabie-Hotels in Sarudschah liefert tiefere | |
Einblicke in die jüngsten Biografien einiger Flüchtlinge. Die vier Männer, | |
die sich das kleine Zimmer teilen, kommen aus Damaskus. Sie seien von | |
Kämpfern der Freien Syrischen Armee aus ihren Wohnungen vertrieben oder | |
ihre Wohnungen seien von den „Terroristen“ zerstört worden, berichten sie. | |
Der älteste der vier, ein Palästinenser, kommt aus einem umkämpften | |
Flüchtlingslager in Damaskus. Das Zimmer hat kahle Wände, einen kleinen | |
Tisch, einen schmalen Schrank und keine Klimaanlage. Es ist noch heißer als | |
auf der Straße. Die Betten stehen dicht beieinander. Auf zwei Stühlen | |
stapeln sich Kleidungsstücke. | |
Unter den Betten verstauen die Damaszener Binnenflüchtlinge ihre Habe, | |
bestehend aus Taschen und Plastiktüten. Fließendes Wasser gibt es schon | |
seit über 24 Stunden nicht mehr, zum Waschen gibt es nur das Wasser aus den | |
Plastikflaschen im Laden neben dem Hotel. | |
9 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Lejeune | |
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