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# taz.de -- Start der Berlin-Music-Week: Sound der Gegensätze
> Mit der vierten Berlin Music Week, ihren Stars und Newcomern beginnt in
> der Stadt der Ausnahmezustand. Und der Spaß.
Bild: Die Berlin-Music-Week: Im 30-Minuten-Takt werden Newcomer wie Passagiere …
BERLIN taz | „Die Musikwirtschaft rockt die Hauptstadt“, schloss die
Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) ihre Grußadresse zur Eröffnung der
4. Berlin Music Week. Klang scheußlich, ist inhaltlich aber korrekt. 12.000
Beschäftigte erwirtschaften in Berlin für die Musikbranche 600 Millionen
Euro pro Jahr.
Während der [1][„Berlin Music Week“] werden 13,2 Millionen Euro Umsatz
erwartet. Viele Anwesende im Veranstaltungsort Postbahnhof, Labelmanager
oder Software-Hersteller, schnatterten darüber hinweg. Und überhörten so,
dass Björn Böning (SPD), Chef der Senatskanzlei, in nächster Nähe zu
Corporate-Firmensitzen und umkämpften Brachgelände, mahnte, dass Musik und
ihre Freiräume erhalten werden müssen. Sicher scheint er sich da nicht zu
sein.
Zusätzlich zum Berlin-Festival, das den Stars die große Bühne auf dem
ehemaligen Flughafengelände in Tempelhof bereitet, treten unbekannte
Künstler in kleineren Kreuzberger Clubs beim Showcase „First we take
Berlin“ auf. Im 30-Minuten-Takt werden Newcomer wie Passagiere im
Charterflugterminal durchgeschleust.
Eine davon, die 18-jährige Britin Chlöe Howl, spielte am Mittwoch im Magnet
Elektropop für die Postgender-Generation, orientierte sich dabei an den
Entwürfen von Lily Allen und Robyn. Howls Bühnenpräsenz stimmte, auch der
rotzige Zungenschlag, die Beats aber klangen wie Weichspüler-Radio.
## Auf ein „Word!
„Anybody know a joke?“, Adio Marchant, Sänger der Band Bipolar Sunshine aus
Manchester, hat auch keinen parat. Marchants Kollegen kämpfen mit
technischen Schwierigkeiten. Passt zum Bandnamen. Der passt wiederum zum
gegensätzlichen Sound. Bipolar Sunshine gemahnen an die metallischen
K.-o.-Tropfen von TV on the Radio, setzen aber auch
Barbershop-Gesangsharmonien ein. Als einstiger Rapper entsprechen Marchants
ausladende Handbewegungen noch dem HipHop-Geprahle, während seine Stimme in
weit melodiöseren Gefilden segelt. Seltsam, aber reizvoll.
Beim HipHop geblieben ist hingegen der irische Rapper Rejjie Snow. Gerade
19 Jahre alt, wirkt er im Bi Nuu technisch und textlich wie jemand, der
zwischen Ghostpoet und Kendrick Lamar landen könnte. Nur: Sein Auftritt
wirkt uninspiriert, die Beats sind zu dünn, und dann fadet er die Songs
auch noch aus. Dabei persifliert er gekonnt seine Szene: „Money, bitches,
hoes/Greed, pussy. Lord knows …“
Bescheidener präsentiert sich im Chalet der chilenische
Elektronik-Produzent Matias Aguayo und Projekt The Disctrict Union.
Housetracks wie „1, 2, 3 – No Gravity“ (Closer Music) verlieh Aguayo mit
seiner Tiefkühlstimme den Permafrost. Inzwischen in Berlin vor Anker
gegangen, bleibt er seinem Ruf als ewiges Talent treu und hat das
„Outsider-Houselabel“ Coméme gegründet. Dort versammelt er die
südamerikanische Produzenten-Diaspora und bringt Folkstile der alten Heimat
jumpy und frenetisch in einen elektronischen Rahmen.
Auf ein „Word!“ – so der Titel der Diskussionen – trifft man sich am
Donnerstagmorgen im Postbahnhof wieder; sie kreisen um die dringlichsten
Probleme der Branche: Marktkonzentration, digitale Verkaufserlöse und wem
sie zufließen – und um die Intransparenz der Verwertungsgesellschaften.
Darüber streiten ihre Vertreter, solche des EU-Kulturausschusses und
Labelbetreiber beim Panel „How green is the grass on the other side of the
fence?“.
## Unübersichtlicher digitaler Markt
Die Lage auf dem digitalen Markt ist immer noch unübersichtlich, auch
technisch. „Vor allem ist das eine Frage von IT-Systemen – um zukunftsfähig
zu sein, müssen wir diese verbessern“, sagt Guido Evers, Geschäftsführer
der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Sie
vertritt Künstler und Tonträgerhersteller. „Unsere Richtlinien sind
kompliziert. Aber wir wollen das Vertrauen der Leute zurückgewinnen.“ Bis
zur Reform der Verwertungsgesellschaften ist es noch ein weiter Weg –
darüber sind sich alle einig.
Einer, der in der Netzwelt zu Geld und Ansehen kam, heißt Chris Kaskie,
Chef des US-Internetmusikmagazins Pitchfork, inzwischen Leitmedium.
Künstler und ihre Werke zu romantisieren sei seine Aufgabe, sagt Kaskie.
Mit erstaunlich konservativen Ideen möchte er nun den Printmarkt
„rekalibrieren“. Seinen Kindern will er „nicht nur Passwörter zum
Einloggen“ hinterlassen. Sie sollen Bücher mit Pitchfork-Texten ins Regal
stellen. Die seien auch jenseits der Benutzeroberfläche bedeutsam.
5 Sep 2013
## LINKS
[1] http://www.berlin-music-week.de/de/
## AUTOREN
Jens Uthoff
Julian Weber
## TAGS
Berlin Music Week
Gema
elektronische Musik
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Olympiastadion
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