# taz.de -- Kraftstoffpolitik der EU: Aggro auf Agro | |
> Im EU-Parlament herrscht ein Patt über die Agrosprit-Politik. Die | |
> Abgeordneten fällen zwar Beschlüsse, verhindern aber ihre Umsetzung. | |
Bild: Rapsfeld bei Bovenau. Der Verbrauch von Ethanol und Diesel aus Ackerfrüc… | |
BERLIN taz | Vorsichtige Korrektur der Biospritpolitik oder kompletter | |
Stillstand? Das EU-Parlament sendete dazu am Mittwoch widersprüchliche | |
Signale. Die einen Abgeordneten sehen Sprit aus Pflanzen als sinnvollen | |
Teil des Energiemixes und notwendige Einkommensquelle europäischer | |
Landwirte, die anderen als klimaschädliche Ressourcenverschwendung. | |
Im EU-Parlament sind beide Lager gleich stark – entsprechend ist die | |
Entscheidung über die zukünftige Biosprit-Politik ausgefallen. Einerseits | |
haben die Abgeordneten entschieden, den Verbrauch von Ethanol und Diesel | |
aus Ackerfrüchten zu drosseln; statt die Beimischungsquoten zu fossilem | |
Kraftstoff jährlich anzuheben, sollen sie bei sechs Prozent festgezurrt | |
werden. | |
Zudem wurden zumindest teilweise die sogenannten Iluc-Faktoren in die | |
Gesetzgebung aufgenommen. Das bedeutet, dass indirekte negative Effekte des | |
Anbaus etwa von Raps, Weizen oder Soja den Treibhausgas-Bilanzen von | |
Agrosprit angerechnet werden. Diese Pflanzen würden die Vorgaben der | |
Nachhaltigkeitsverordnung der EU damit nicht mehr erfüllen und so als | |
Kraftstoff verschwinden. | |
Allerdings haben sich die Gegner dieser Vorschläge im Parlament – | |
Konservative und einige Liberale – die Tücken der komplexen Prozesse | |
zwischen den EU-Institutionen zu Nutze gemacht. So versagten sie dem | |
Parlament, auf Grundlage der Entscheidung direkt Verhandlungen mit dem Rat | |
aufzunehmen; jetzt müssen die Mitgliedstaaten aktiv werden. Das heißt: Was | |
mit den Beschlüssen geschieht, ist offen. Im Frühjahr wird ein neues | |
Parlament gewählt, die Machtverhältnisse könnten sich ändern und die | |
aktuellen Entscheidungen wären obsolet. | |
## Umweltverbände unzufrieden | |
Dringend notwendige Korrekturen an der EU-Kraftstoffpolitik würden erneut | |
verzögert, kritisierte die Grünen-EU-Abgeordnete Rebecca Harms. „Statt mit | |
Agrarkraftstoffen heutige Verkehrsstrukturen aufrechtzuerhalten, ist ein | |
Umbau des Verkehrssystems in Europa notwendig“, forderte die EU-Abgeordnete | |
der Linken, Sabine Wils. | |
Auch die Umweltverbände zeigten sich mit der Entscheidung in Straßburg | |
unzufrieden: „Vor einer ehrlichen Berechnung der Klimagase unter | |
Einbeziehung indirekter Landnutzungsänderungen schreckt die EU auf Druck | |
der hiesigen Agrarindustrie bis 2020 zurück“, sagte Greenpeace-Experte | |
Martin Hofstetter. | |
Der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie beurteilte die Abstimmung | |
verhalten positiv: „Die Europaabgeordneten haben sich für Biokraftstoffe | |
und damit für die Einsparung von Treibhausgasen im Verkehrssektor und gegen | |
mehr fossiles Öl ausgesprochen“, so Geschäftsführer Elmar Baumann. | |
Als Nebenprodukt von Biodiesel und -ethanol entstünden Futtermittel. Dies | |
müsse in der Debatte „Tank oder Teller“ berücksichtigt werden. Um den | |
Regenwald zu schützen seien direkte Verhandlungen mit den Ländern nötig, in | |
denen Regenwald gerodet werde. | |
11 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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