| # taz.de -- Sternmarsch Umfairteilen: 2,6 Millionen Euro am Tag | |
| > Tausende demonstrieren für ein gerechteres Steuersystem. Gewerkschaften | |
| > und andere Aktive wollen mehr Ausgleich zwischen arm und reich. | |
| Bild: Verdi-Chef Bsirske spricht in Bochum. | |
| BOCHUM taz | Für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen die immer weiter | |
| auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich und für eine höhere | |
| Besteuerung Superreicher sind mehr als 15.000 Menschen am Samstag | |
| bundesweit auf die Straße gegangen. | |
| Allein der zentrale Sternmarsch der vom Bündnis Umfairteilen organisierten | |
| Proteste in Bochum zählte rund 12.000 DemonstrantInnen. Im Berliner | |
| Regierungsviertel bildeten nach Veranstalterangaben rund 3.000 Engagierte | |
| eine „Umfairteilenkette“. Aktionen gab es auch in Städten wie Saarbrücken | |
| und Regensburg. | |
| Konkret fordert das Bündnis die dauerhafte Wiedereinführung der | |
| Vermögenssteuer, eine Vermögensabgabe und „den konsequenten Kampf gegen | |
| Steuerbetrug und und Steueroasen“. Hinter Umfairteilen stehen insgesamt 24 | |
| Organisationen: Mit dabei sind Gewerkschaften wie Verdi, die NGG und GEW, | |
| Sozialverbände wie der Paritätische und die AWO, aber auch | |
| zivilgesellschaftliche Akteure wie Attac und Migrantenselbstorganisationen | |
| wie die Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Unterstützung | |
| kommt auch von der „Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe“. | |
| Die Konzepte der Bündnispartner unterscheiden sich nur in Details. So | |
| fordert etwa Attac eine Vermögensabgabe für Millionäre und Milliardäre, die | |
| mit einem Abgabesatz von 20 bis 80 Prozent gestaffelt werden soll. Für | |
| Betriebsvermögen sollen hohe Freibeträge gelten. Über eine Laufzeit von | |
| zehn Jahren hofft Attac trotzdem auf Einnahmen von rund einer Billion Euro | |
| – das ist fast die Hälfte der gesamten Schulden von Bund, Ländern und | |
| Kommunen zusammen, die aktuell etwa 2,1 Billionen Euro betragen. | |
| ## 80 Prozent gegen eins | |
| Vor Journalisten in Bochum trat besonders der Verdi-Vorsitzende Frank | |
| Bsirske Befürchtungen entgegen, die Umfairteilen-Pläne richteten sich gegen | |
| Normalverdiener oder die gehobene Mittelschicht: „Wir fordern eine | |
| Millionärssteuer. Davon wäre nur ein Prozent der Bevölkerung betroffen“, | |
| betonte der Gewerkschaftschef. | |
| Deshalb haben die Konzepte des Bündnisses offenbar die Unterstützung der | |
| Mehrheit der WählerInnen. „80 Prozent der Bevölkerung finden die | |
| Vermögensverteilung in Deutschland ungerecht“, so der Geschäftsführer des | |
| Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider – dies habe vor zwei | |
| Wochen eine repräsentative Umfrage ergeben, die sein Verband beim Institut | |
| Infratest Sozialforschung in Auftrag gegeben habe. Danach sprechen sich 77 | |
| Prozent der Wahlberechtigten für eine stärkere Besteuerung sehr hoher | |
| Einkommen und Vermögen aus, um damit Ausgaben etwa in Bildung, Soziales und | |
| Kultur zu finanzieren. | |
| Ob die Grünen, die mit der Forderung nach einer stärkeren Besteuerung der | |
| Reichen in den Wahlkampf gezogen sind, nicht gerade deshalb an Zustimmung | |
| verlieren? Gewerkschaftschef Bsirske, der selbst Mitglied der Grünen ist, | |
| wollte diese Frage in Bochum nicht beantworten. Abgerechnet werde bei der | |
| Bundestagswahl am kommenden Sonntag: Das ist die Botschaft des | |
| Verdi-Vorsitzenden. Bsirske setzt dabei besonders auf die 30 Prozent der | |
| noch unentschlossenen WählerInnen: Von denen forderten 72 Prozent eine | |
| Umverteilung von oben nach unten. | |
| ## Geografische Spaltung | |
| Bei der zentralen Abschlusskundgebung vor dem Bochumer Bergbaumuseum gaben | |
| sich die Organisatoren deshalb kämpferisch. Gerade im Ruhrgebiet - für den | |
| Paritätischen längst Armutsregion Nr. 1 – spiegele sich die soziale | |
| Spaltung der Republik „wie in einem Brennglas“, so Jochen Marquardt vom DGB | |
| Ruhr. Während im reichen Süden des Reviers Milliardäre wie die | |
| Aldi-Besitzer Albrecht residierten, kämpften im Norden immer mehr Menschen | |
| mit nicht existenzsichernden Löhnen und drohender Altersarmut. | |
| Immer wieder mahnten RednerInnen wie die DIDF-Vorsitzende Özlem Alev | |
| Demirel, nur Reiche könnten auf eine soziale Infrastruktur aus kostenfreier | |
| Bildung, Bibliotheken, Schwimmbädern, Jugend- und Seniorentreffs | |
| verzichten. Dabei war die soziale Spaltung in Bochum fast physisch spürbar: | |
| Als Verdi-Chef Bsirske vorrechnete, das Vermögen der BMW-Erbin Susanne | |
| Klatten sei im vergangenen Jahr täglich um 2,6 Millionen Euro gewachsen, | |
| ging ein ungläubiges, aber auch empörtes, fast wütendes Stöhnen durch die | |
| Menge. | |
| 15 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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