| # taz.de -- Reaktionen aus Europa zur Wahl: Angst vor Berlin | |
| > In Brüssel sind die Gefühle nach dem Wahlsieg von Merkel gemischt. Einige | |
| > fürchten einen „Merkiavellismus“. Und auch das EU-Parlament sorgt sich. | |
| Bild: Ihre Gratulation war nicht viel mehr als Pflichtübung: Francois Hollande… | |
| BRÜSSEL taz | Wenn man den offiziellen Bekundungen glauben wollte, dann | |
| wäre Angela Merkels Wahlsieg das Beste, was dem krisengeschüttelten Europa | |
| passieren konnte. Die EU-Chefs überboten sich gestern geradezu mit | |
| Glückwünschen. Vor allem EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy tat sich dabei | |
| hervor – offenbar hofft er, mit Merkels Hilfe 2014 zum Kommissionschef in | |
| Brüssel aufzusteigen. | |
| Auch Frankreichs Staatschef François Hollande und der britische Premier | |
| David Cameron hatten es eilig. Hollande lud „la Merkel“ zu | |
| Regierungsgesprächen nach Paris ein – er will den deutsch-französischen | |
| Motor für Europa wiederbeleben. Und Cameron mahnte eine „enge | |
| Zusammenarbeit“ an: Er hofft auf eine deutsch-britische Allianz gegen | |
| Brüssel und die Eurogegner zu Hause. | |
| Doch viel mehr als Pflichtübungen waren das nicht. Die Erleichterung in den | |
| EU-Kapitalen speist sich vor allem aus dem Umstand, dass man Merkel kennt. | |
| Kontinuität und Stabilität waren denn auch die am meisten benutzten | |
| Schlagworte. | |
| Hinter vorgehaltener Hand wurden jedoch viele bange Fragen laut: Was | |
| bedeutet das unerwartet starke Abschneiden der AfD für die Europapolitik – | |
| vor allem 2014, wenn deutsche Eurogegner ins EU-Parlament einziehen | |
| könnten? Wird Merkel nun endlich ihre Blockadehaltung in vielen zentralen | |
| Fragen der Eurokrise aufgeben? Kommt endgültig das „deutsche Europa“? | |
| ## „Grexit“-Debatte | |
| Vor allem die Südeuropäer haben Angst vor einer deutschen Übermacht und dem | |
| neuen „Merkiavellismus“ – Merkels Mischung aus Nonchalance und eisernem | |
| Machtwillen. In Griechenland macht man sich Sorgen, dass nun die unselige | |
| „Grexit“-Debatte über einen Rausschmiss aus dem Euro aufleben könnte. In | |
| Portugal und Irland fragen sich Bürger und Politiker, was von den deutschen | |
| Lobeshymnen auf die „Musterschüler“ der Eurokrise zu halten ist. Wird | |
| Merkel Hilfsgelder bereitstellen, wenn Irland im Winter den | |
| Euro-Rettungsschirm verlässt? Darf Portugal auf ein zweites Hilfsprogramm | |
| hoffen? | |
| Auch die EU-Chefs in Brüssel haben Grund zur Sorge. Kommissionspräsident | |
| José Manuel Barroso muss fürchten, dass viele Reformen – etwa in der | |
| Energiepolitik – endgültig am deutschen Veto scheitern. Zudem könnte die | |
| Brüsseler Behörde zum Papiertiger schrumpfen, wenn Merkel ihre Drohung wahr | |
| macht, der EU Kompetenzen zu entziehen und wieder mehr in Berlin zu | |
| entscheiden. | |
| ## Nicht mal ein Spitzenkandidat | |
| Selbst das EU-Parlament könnte an Macht verlieren. Schon jetzt ist die | |
| ursprünglich geplante groß angelegte Kampagne für die Europawahl im Mai | |
| nächsten Jahres ins Wasser gefallen. Denn Merkels Konservative haben mit | |
| Rücksicht auf den deutschen Wahlkampf nicht einmal einen Spitzenkandidaten | |
| benannt. Auch viele politische Forderungen aus dem Parlament drohen in | |
| Vergessenheit zu geraten. | |
| Deren Chef Martin Schulz (SPD) nannte am Sonntag den Kampf gegen die | |
| Jugendarbeitslosigkeit, die Einführung einer europäischen | |
| Finanztransaktionsteuer, den Abschluss der Bankenunion und ein | |
| Investitionsprogramm für Wachstumsimpulse. Eine gemeinsame Haftung etwa | |
| über Eurobonds oder ein europäisches Schuldentilgungsprogramm erwähnte | |
| Schulz nicht – dabei stehen auch diese Punkte auf der Wunschliste der | |
| EU-Abgeordneten. Doch sie scheinen derzeit ebenso wenig durchsetzbar wie | |
| eine Abkehr vom Austeritätskurs in Europa. | |
| Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: Sollte Merkel eine große | |
| Koalition mit der SPD eingehen, könnte es ein paar Lockerungsübungen geben. | |
| Schließlich habe Merkel nach Beginn der Finanzkrise ja auch in große | |
| Konjunkturprogramme eingewilligt, erinnern sich EU-Politiker in Brüssel. | |
| Erst nach dem Einzug der FDP in die Regierung schwenkte sie auf eine harte | |
| neoliberale Linie ein. | |
| Jedoch waren die Konjunkturprogramme nur möglich, weil Frankreich Druck | |
| machte. Damals war es Nicolas Sarkozy, der den Politikwechsel durchdrückte | |
| und einen Absturz der europäischen Wirtschaft verhinderte. Seinem schwachen | |
| sozialistischen Nachfolger Hollande traut dies in Brüssel kaum jemand zu. | |
| Vielleicht hilft die SPD nach? | |
| 23 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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