# taz.de -- Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Keine Visafreiheit für Tür… | |
> Türken brauchen für die EU-Einreise weiterhin ein Visum, enschied der | |
> Europäische Gerichtshof. Jeder fünfte nichtgeschäftliche Antrag wird aber | |
> abgelehnt. | |
Bild: Ohne Visum keine Einreise: Besuch beim Stiefvater abgelehnt. | |
FREIBURG taz | Türken benötigen weiterhin ein Visum, wenn sie nach | |
Deutschland und in die EU einreisen wollen. Das entschied jetzt der | |
Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Gegen das Urteil sind keine | |
Rechtsmittel mehr möglich. | |
Jährlich reisen 700.000 Türken in die EU, davon rund 160.000 nach | |
Deutschland. Nach Angaben der Bundesregierung sind 60 Prozent der Reisenden | |
Geschäftsleute, 30 Prozent Touristen und bei 10 Prozent der Einreisenden | |
geht es um Familienzusammenführung. Doch das Reisen ist beschwerlich. | |
Erst müssen die Türken in einer deutschen Vertretung ein Visum beantragen, | |
dort warten, und dann rund 60 Euro bezahlen. Bei rund jedem fünften | |
nichtgeschäftlichen Antrag wird das Visum sogar abgelehnt. | |
Auch im konkreten Fall wurde ein Visum verweigert. Im Jahr 2007 wollte die | |
damals 14-jährige Türkin Leyla Demirkan ihren Stiefvater in Deutschland | |
besuchen, doch sie durfte nicht. Dagegen klagte sie beim Berliner | |
Verwaltungsgericht, das bundesweit für Visumskonflikte zuständig ist. In | |
zweiter Instanz fragte das Berliner Oberverwaltungsgericht beim EuGH an, ob | |
die Visumspflicht für Türken gegen EU-Recht verstoße. | |
Demirkans Anwalt Rolf Gutmann argumentierte mit einem Assoziationsabkommen, | |
das die EU 1963 mit der Türkei schloss. In einem Zusatzprotokoll heißt es: | |
„Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der | |
Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“ | |
Auf diese „Stillhalte-Klausel“ berief sich Gutmann. Denn die Visumspflicht | |
für Türken war erst 1980 eingeführt worden. Hoffnung machte ihm ein | |
EuGH-Urteil im Jahr 2009. Damals billigte der EU-Gerichtshof dem türkischen | |
Lastwagenfahrer Mehmet Soysal Visumsfreiheit zu. | |
## Restaurantbesuch ist kein Lastwagenfahren | |
Doch der EuGH setzte diese Rechtsprechung nicht fort. Vielmehr unterschied | |
er jetzt zwischen aktiver und passiver Dienstleistungsfreiheit. Wenn Türken | |
in Deutschland bestimmte Dienstleistungen erbringen wollen, die schon 1980 | |
visumsfrei möglich waren, dann können sie auch heute visumsfrei einreisen. | |
Wer in Deutschland aber nur Dienstleistung konsumieren will, etwa im | |
Restaurant essen, könne sich nicht auf die Stillhalteklausel berufen. | |
Zwar hat der EuGH für EU-Bürger schon 1984 entschieden, dass auch die | |
passive Dienstleistungsfreiheit zur freien Reise in der EU berechtige. Dies | |
lasse sich aber nicht auf Türken übertragen, so der EuGH im | |
Demirkan-Urteil. Das Assoziationsabkommen habe die wirtschaftliche | |
Entwicklung der Türkei zum Ziel, damit diese eines Tages der EU beitreten | |
könne. Es gehe nicht um „generelle Freizügigkeit“. | |
Anwalt Gutmann zeigte sich enttäuscht. „Das hätte man auch anders | |
entscheiden können“, sagte er der taz. Die Linken-Abgeordnete Sevim | |
Dagdelen erklärte: „Der EuGH hat leider eine große Chance vertan, die | |
vorurteilsbeladenen Regierungen zu einer offeneren Politik zu drängen.“ | |
24 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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