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# taz.de -- Justiz in der Türkei: Angeblicher Terrorist vor Gericht
> Gegen den Schriftsteller Dogan Akhanli wird ein neues Verfahren wegen
> Terrorismus eröffnet. Zudem wird ein internationaler Haftbefehl
> ausgestellt.
Bild: Solidaritätskundgebung für Dogan Akhanli im Dezember 2010
ISTANBUL taz | Dem deutsch-türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli droht
eine lebenslange Haftstrafe in der Türkei. Nachdem das oberste
Berufungsgericht einen vor zwei Jahren ergangenen Freispruch für Akhanli im
Februar dieses Jahres aufgehoben hatte, begann gestern vor der unteren
Instanz, dem Gericht für schwere Straftaten in Istanbul, ein neues
Verfahren gegen den Schriftsteller.
Die Staatsanwaltschaft wirft Akhanli vor, 1989 an einem bewaffneten
terroristischen Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein, bei dem ein
Kioskbesitzer ermordet wurde. In der Verhandlung 2011 hatten jedoch mehrere
Zeugen, unter ihnen der Sohn des Ermordeten, Akhanli entlastet. Für seine
Beteiligung an dem Überfall gibt es keinerlei materiellen Beweise, keine
Fingerabdrücke oder sonstige Indizien.
Der Raubüberfall soll von einer linken politischen Gruppe verübt worden
sein, mit dem Ziel, die Kasse der Organisation zu füllen. Der einzige
Hinweis auf Akhanli stammt von einem anderen, damals ebenfalls
Verdächtigen, der unter Folter 1992 fälschlich den Namen Akhanlis nannte,
weil er, wie er in der Verhandlung 2011 aussagte, wusste, dass Akhanli sich
bereits im Ausland befand.
## Akhanli machte den Genozid an den Armeriern zum Thema
Der Schriftsteller war zu Beginn der 80er-Jahre ein politischer Aktivist,
der gegen den Militärputsch von 1980 kämpfte und deshalb einige Jahre im
Gefängnis saß. Deswegen – und weil er in Deutschland als Schriftsteller und
politischer Aktivist den Genozid an den Armeniern zu seinem Thema machte –
wird er von der türkischen Justiz unnachgiebig verfolgt.
Akhanli lebt seit den 90er-Jahren in Deutschland, hat längst die deutsche
Staatsbürgerschaft angenommen und fühlt sich in Köln zu Hause. Das
Verfahren gegen ihn war ins Rollen gekommen, als er 2010 zum ersten Mal
seit den 80er-Jahren wieder in die Türkei gefahren war, um seinen
todkranken Vater zu besuchen. Akhanli wurde bei seiner Einreise verhaftet
und saß rund ein Jahr in Untersuchungshaft.
Die Aufhebung seines Freispruchs durch das Revisionsgericht (Yargetay)
erfolgte lediglich auf Grundlage der alten Polizeiakten. Die Zeugen, die
Akhanli im ersten Prozess entlastet hatten, nahmen die Yargetay-Richter
nicht zur Kenntnis.
## Günter Wallraff reiste zur Prozesseröffnung nach Istanbul
In der gestrigen Eröffnungsverhandlung des zweiten Verfahrens hörte das
Gericht die Verteidigung an und vertagte sich auf den 4. Oktober. Außerdem
verhängte es einen Internationalen Haftbefehl gegen Akhanli, weil er zum
Prozessauftakt nicht erschienen war. Obwohl Deutschland Akhanli nicht
ausliefern wird, ist er dadurch in seiner Reisefreiheit stark
eingeschränkt.
Günter Wallraff, der zum Prozess aus Deutschland angereist war, sagte nach
der Verhandlung: „Es ist offensichtlich, dass die Türkei sich immer mehr in
einen Polizeistaat entwickelt und faire Verfahren gegen Kritiker der
Regierung nicht zu erwarten sind. Das sieht man ja auch an den vielen
Journalisten, die im Gefängnis sitzen und den willkürlichen Verhaftungen
von Mitgliedern der Gezi-Bewegung.“
1 Aug 2013
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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