# taz.de -- Regierungsbildung in Norwegen: Rechtspopulisten an der Macht | |
> In Norwegen plant die künftige Ministerpräsidentin Solberg eine | |
> Minderheitsregierung. Die Konservativen werden mit der | |
> „Fortschrittspartei“ regieren. | |
Bild: Sie sehen eigentlich harmlos aus: Siv Jensen (l.) Chefin der Fortschritts… | |
STOCKHOLM taz | Zwei Frauen wollen in den kommenden vier Jahren Norwegen | |
regieren. Am Montag teilten Erna Solberg, Vorsitzende der konservativen | |
Høyre und die Fortschrittspartei-Vorsitzende Siv Jensen die Einigung auf | |
eine Koalition mit. | |
Für Siv Jensen und ihre Fortschrittspartei ist es ein historischer | |
Durchbruch. Noch nie in ihrer 40-jährigen Geschichte durfte diese | |
rechtspopulistische Partei Regierungsverantwortung übernehmen. Für Erna | |
Solberg ist die jetzige Lösung eine Niederlage. Ihr Wunsch war die Bildung | |
einer breiten Mitte-Rechts Regierung gewesen. | |
Doch diese Vier-Parteien-Koalition unter Einschluss der liberalen Venstre | |
und der Christlichen Volkspartei scheiterte, weil beide nicht mit der | |
Fortschrittspartei an einem Kabinettstisch sitzen wollten. Hierzu war nur | |
die Høyre bereit. Solberg blieb daher nur die Bildung einer | |
Minderheitsregierung. Diese kann sich auf 77 der 169 ParlamentarierInnen | |
stützen. | |
Mit Liberalen und Christdemokraten schloss die künftige Regierungschefin | |
ein Kooperationsabkommen. Darin versichern diese Parteien ihr weitgehende | |
Unterstützung, betonen aber gleichzeitig, ihre Rolle sei die „konstruktiver | |
Oppositionsparteien“. | |
## Von „schleichender Islamisierung“ bedroht | |
Minderheitsregierungen sind in Norwegen keine Seltenheit, haben sich aber | |
als nicht allzu stabil erwiesen. Solberg hatte deshalb auf eine breite | |
Koalitionsbasis gehofft. Venstre und Christliche Volkspartei hatten vor der | |
Wahl auch eine entsprechende Bereitschaft signalisiert. Doch regte sich | |
zuletzt in beider Basis wachsender Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit | |
der Fortschrittspartei. | |
Diese hatte zwar vor allem nach den Terrortaten ihres Ex-Mitglieds Behring | |
Breivik ihre ausländerfeindliche Rhetorik etwas gedämpft. Doch kurz nach | |
der Wahl gab es wieder fremdenfeindliche Statements führender Mitglieder | |
und die Parteichefin Jensen wiederholte ihre Einschätzung, dass Norwegen | |
von einer „schleichenden Islamisierung“ bedroht sei. Christdemokraten und | |
Liberale bekamen deswegen offenbar kalte Füße. Sie bleiben nun lieber der | |
Regierung fern und erkauften sich ihre künftige Unterstützung mit einer | |
Reihe von Zugeständnissen, vor allem im Umweltschutz- und Asylbereich. | |
So soll es im Meeresgebiet vor den Lofoten auch in den kommenden vier | |
Jahren die umstrittenen Probebohrungen nach Öl und Gas nicht geben und auch | |
in einigen Arktisregionen wird die Prospektierung ausgesetzt. Nicht | |
anerkannten Asylsuchenden mit minderjährigen Kindern, die seit mehr als | |
drei Jahren in Norwegen wohnen, wird im Rahmen einer einmaligen Amnestie | |
pauschal ein Bleiberecht gewährt. | |
## Ab Mitte Oktober im Amt | |
Umgekehrt mussten die beiden Mitte-Parteien allerdings der von Høyre und | |
Fortschrittspartei beabsichtigten Verschärfung des Asylrechts zustimmen. So | |
sollen Asylsuchende bis zur Entscheidung über ihre Anträge in geschlossenen | |
Lagern untergebracht werden, es soll spezielle Schnellverfahren bei | |
Asylklagen und ein beschleunigtes Abschiebeverfahren geben. | |
Und Christdemokraten und Liberale waren auch gezwungen die Einschätzung | |
mitzutragen, dass der Zuzug von Ausländern eine Belastung für die | |
norwegische Gesellschaft und den Sozialstaat darstelle und deshalb strenger | |
reguliert werden müsse. | |
Der Staatswissenschaftler Frank Aarebrot bezeichnete eine Regierung | |
Solberg-Jensen als „denkbar schlchteste Lösung“: Es werde ständiger | |
Kompromisse und aufreibender Mehrheitssuche im Parlament bedürfen. Die | |
Verhandlungen über das Regierungsprogramm von „Blau-blau“ begannen am | |
Dienstag. Dann soll es auch um die Kabinettsposten gehen. Jensen wird | |
vermutlich den wichtigen Finanzministerposten erhalten. Die neue Regierung | |
wird Mitte Oktober ihr Amt antreten. | |
1 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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