# taz.de -- Chemikalien-Exporte nach Syrien: Deutsche Lieferungen bis 2011 | |
> Deutsche Firmen haben deutlich mehr Chemikalien an Syrien verkauft als | |
> bisher bekannt. Es gibt jedoch keine Hinweise auf eine Nutzung für die | |
> Waffen-Produktion. | |
Bild: Die deutschen Chemikalien könnten in Zahnpasta enthalten sein - aber auc… | |
BERLIN dpa | Deutschland hat bis zum Beginn des syrischen Bürgerkriegs | |
Chemikalien in das Krisenland geliefert, die zur Herstellung von Giftgas | |
genutzt werden können. Das Bundeswirtschaftsministerium räumte am Montag | |
ein, dass die Menge der zwischen 1998 und April 2011 exportierten | |
Substanzen mit 360 Tonnen fast drei Mal so groß ist wie bisher bekannt. Es | |
gebe aber weiterhin keine Zweifel an der zivilen Verwendung der | |
Chemikalien, die für insgesamt rund eine Million Euro nach Syrien verkauft | |
wurden. | |
Die Grünen nannten die Lieferungen bis ins Jahr 2011 hinein „katastrophal“, | |
die Linke sprach von „politischem Wahnsinn“. Die Exporte wurden genehmigt, | |
obwohl Syrien zu den wenigen Staaten zählte, die der internationalen | |
Konvention zur Ächtung von Chemiewaffen von 1997 nicht beigetreten waren. | |
Vor zwei Wochen hatte das Ministerium nach einer parlamentarischen Anfrage | |
der Linksfraktion bereits mitgeteilt, dass in den Jahren 2002, 2003, 2005 | |
und 2006 insgesamt 134 Tonnen Chemikalien aus Deutschland nach Syrien | |
geliefert worden waren, die auch zur Herstellung von Giftgas verwendet | |
werden können. Jetzt liegt eine komplette Liste für die Jahre 1998 bis 2011 | |
vor. | |
Das Wirtschaftsministerium erklärte, die Substanzen seien für die | |
Verwendung in der Schmuckindustrie, zur Fluorierung von Trinkwasser oder | |
auch zur Herstellung von Zahnpasta ausgeführt worden. „In allen diesen | |
Fällen wurde die geplante zivile Verwendung der Güter plausibel | |
dargestellt“, erklärte das Ministerium. | |
Auch eine aktuell vorgenommene nochmalige Prüfung habe keine neuen | |
Erkenntnisse ergeben, die Zweifel an der zivilen Nutzung begründen würden. | |
Man habe sich dabei nicht nur auf Zusicherungen der Empfänger verlassen, | |
sondern auch eigene geheimdienstliche Erkenntnisse genutzt. | |
## „Ein politischer Wahnsinn“ so der stellvertretender Linksparteichef | |
Der Export sogenannter Dual-Use-Güter, die zivil und militärisch genutzt | |
werden können, muss in Deutschland vom Bundesamt für Wirtschaft und | |
Ausfuhrkontrolle genehmigt werden. Die deutschen Lieferungen gehen bis in | |
die Zeit der rot-grünen Bundesregierung (1998 bis 2005) zurück und wurden | |
dann von der großen Koalition (2005 bis 2009) und der schwarz-gelben | |
Regierung (2009 bis 2013) fortgeführt. Im Mai 2011 wurde die Ausfuhr | |
chemischer Dual-Use-Güter im Zuge der Sanktionen gegen Syrien verboten. | |
Der stellvertretende Linksparteichef Jan van Aken warf der Bundesregierung | |
vor, das Risiko einer Verwendung der Chemikalien für die | |
Giftgas-Herstellung bewusst in Kauf genommen zu haben. „Denn eine wirksame | |
Kontrolle gab es nicht“, sagte er. „So eine Genehmigungspolitik ist | |
politischer Wahnsinn und menschenverachtend. Das ist die bittere Wahrheit | |
eines schweren Versagens von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb.“ Die | |
Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Keul forderte, die Lieferung | |
waffenfähiger Chemikalien an Länder zu verbieten, die bestimmte | |
Abrüstungsabkommen nicht ratifiziert haben. | |
Syrien besitzt vermutlich seit den frühen 1970er Jahren Chemiewaffen, hat | |
das aber erst 2012 zugegeben. Das Land zählte bis vor kurzem zu sieben von | |
rund 200 Staaten weltweit, die den Beitritt zur Chemiewaffenkonvention | |
verweigerten. Erst nach dem Chemiewaffeneinsatz vom 21. August mit | |
vermutlich mehr als 1400 Toten lenkte das Regime von Baschar al-Assad unter | |
massivem internationalem Druck ein und erklärte sich zur Vernichtung seiner | |
Giftgasbestände und Produktionsanlagen bereit. Der Beitritt zur | |
Chemiewaffenkonvention soll in zwei Wochen erfolgen. | |
1 Oct 2013 | |
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