| # taz.de -- Kommentar Geschlechtergerechtigkeit: Die vergessene Frauenfrage | |
| > In Koalitionsverhandlungen könnte Geschlechterpolitik vertagt werden. Die | |
| > Sozialdemokraten vergessen das Thema gern – anders als die Konservativen. | |
| Bild: Sollte mal vorankommen, die Geschlechterpolitik. Dreht sich aber nur im K… | |
| Fast wäre das Thema durchgerutscht. Wieder mal. Aber schließlich, am | |
| Dienstag dieser Woche, meldete sich doch noch Elke Ferner zu Wort. Die | |
| Genossinnen, erklärte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft | |
| Sozialdemokratischer Frauen (ASF), würden einem Bündnis mit der Union erst | |
| zustimmen, wenn im Koalitionsvertrag das Ende des Betreuungsgeldes sowie | |
| die Frauenquote in Aufsichtsräten festgeschrieben werde. Sonst eben nicht. | |
| Der ASF-Chefin geht es schlicht um das Einlösen von Wahlkampfversprechen, | |
| die die SPD gemacht hat. Es müsse jetzt gehandelt werden, sagt Ferner, | |
| „nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag“. Ferners Ansage bringt indezent die | |
| Harte-Themen-Blase zum Platzen, die seit dem Wahlabend über dem politischen | |
| Berlin schwebt. STEUER! ENERGIE! INFRASTRUKTUR! Das sind die Schlagworte, | |
| mit denen sich die Koalitionäre in spe – und auch deren KommentatorInnen – | |
| torpedieren. | |
| Wortgewaltig wird hier mit Milliarden und Machtoptionen jongliert, es geht | |
| um Masterpläne und Megaprojekte. Dass bei alldem die Ansprüche an die | |
| zugesagte Geschlechtergerechtigkeit mitgedacht und mitverhandelt werden | |
| müssen, sollte im Jahr 2013 eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. | |
| Sie ist es aber nicht. Und deshalb, da haben die Sozi-Frauen einfach recht, | |
| muss das alles konkret im Koalitionsvertrag stehen. | |
| Der Reflex ist stark, angesichts verdammt weit auseinander liegender | |
| politischer Ziele und Inhalte der Unterhändler das vermeintlich weiche | |
| Thema Geschlechtergerechtigkeit zu vertagen. Oder irgendwie zu versprechen, | |
| es mitzudenken. Wäre es nicht vielleicht ausreichend, den Willen zur | |
| Geschlechtergerechtigkeit in die Präambel des Koalitionsvertrages zu | |
| schreiben? Könnte man sich nicht darauf einigen? | |
| Nein. Hätte-könnte-sollte ist erfahrungsgemäß keine Kategorie in der | |
| Geschlechterpolitik. Wäre dem so, würde über Quoten, Lohngleichheit und | |
| Kitaausbau nicht immer noch diskutiert, als handele es sich hier um | |
| Probleme von Frauen, die unerklärlicherweise ihre Kinder „fremdbetreuen“ | |
| lassen wollen. Die nicht nur arbeiten, um „dazuzuverdienen“, und | |
| irritierenderweise auch noch genauso viel Geld dafür kriegen wollen wie | |
| ihre männlichen Kollegen. | |
| ## Genderpolitisches Aufgeplustere seit 2005 | |
| ## | |
| Konjunktivistische Politik beleidigt nicht nur diese Frauen – egal, welchen | |
| Abschluss sie haben oder auch nicht –, sondern auch ihre Partner, denen die | |
| Politik ein Erdulden von Alleinverantwortung zuzuschieben versucht. | |
| Wie es nicht geht, wie Politik für Geschlechtergerechtigkeit zum | |
| politischen Tand wurde, kann man sehr schön im Koalitionsvertrag von Union | |
| und SPD von 2005 nachlesen. Man wolle, steht dort auf Seite 119, die | |
| „Gender-Kompetenz stärken“ und dafür „angemessene Instrumente“ zur | |
| Verfügung stellen. Man werde „das Ziel weiter verfolgen“, das Prinzip | |
| „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ zu verwirklichen. Man | |
| setze sich dafür ein, „dass Frauen die gleichen Karrierechancen und den | |
| gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft, in der | |
| Wissenschaft und in der Forschung erhalten“; zu diesem Zweck werde man | |
| „über dann möglicherweise notwendige, verbindliche Instrumente befinden“. | |
| Ein konjunktivistisches Wortbesteck, das seinen VerfasserInnen nicht nur | |
| dazu diente, letztlich nichts durchsetzen zu müssen, sondern dazu | |
| hergenommen wurde, sich als genderpolitisch vorbildlich aufzuplustern. | |
| Die Mechanik ist immer die gleiche, und wer gelegentlich behauptet, | |
| Deutschland sei doch immerhin ein halbwegs emanzipiertes Land, erinnere | |
| sich bitte kurz: Stets wird Geschlechterpolitik im Gewande der | |
| „Frauenfrage“ zu Beginn eines jeden Wahlkampfes vollmundig angekündigt, um | |
| bei Koalitionsgesprächen irgendwie „vergessen“ und schließlich bis zur | |
| nächsten Bundestagswahl vertagt zu werden. Auch jetzt haben die | |
| sozialdemokratischen Koalitionsverhandler durchblicken lassen, dass sie | |
| beim Betreuungsgeld weich werden könnten. Na, klar. | |
| 4 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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